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Der Beschützer

Der Beschützer

Titel: Der Beschützer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Graf
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aus?« hatte sie ihre Tante gefragt, damals, als sie ein Mädchen gewesen war und noch nicht die Hintergründe der geistigen Kontrolle kannte, die der Tante so leicht zu fallen schien. »So viele Gedanken und Gefühle, die ganze Zeit über!«
    Damals lebte Tante Shenzi schon seit vielen Jahren bei den Menschen. Sie arbeitete für die Regierung, und manchmal dauerten ihre Aufenthalte auf dem Planeten Erde Dutzende von Monaten. »Nicht die ganze Zeit über«, erwiderte sie. »Nur dann, wenn sie in Hinsicht auf irgendeine Sache besonders stark empfinden.«
    Doch genau das schien recht häufig zu passieren. »Nehmen sie dir nicht das Ich weg?« fragte Stadi. »Crisa meint, die Menschen überschütten einen mit ihren Emotionen – bis man nur noch fühlt, was sie fühlen, bis man nicht mehr weiß, wer man ist.« Crisa war siebzehn und hatte vor einem Jahr einen Föderationsball besucht, bei dem alle jungen Starfleet-Fähnriche mit ihr tanzen wollten.
    »Crisa bietet nicht gerade ein Musterbeispiel für gute Abschirmung«, entgegnete Tante Shenzi. Das stimmte: Häufig regte sich Crisa über Gefühle auf, die von anderen Betazoiden stammten. »Manchmal können sich menschliche Emotionen als störend erweisen, aber sie sind nicht annähernd so gräßlich, wie Crisa behauptet. Du wirst sehen.«
    Und jetzt, viele Jahre später, sah es Stadi tatsächlich. Ein Admiral mit grauweißem Haar blickte auf sie herab, und die väterliche Mißbilligung in seinem Gesicht galt einer Frau mit warmen, lächelnden und klugen Augen, die fremdartige Reife zum Ausdruck brachten. Sie sah einen Mann und einen Hund, die durch hohes Gras tollten; eine liebevolle Stimme forderte sie beide auf, vorsichtig zu sein und sich nicht schmutzig zu machen. Die Erinnerung anderer Personen, das Leben anderer Individuen. Stadi schwamm in einem Meer aus fremdem Sein, das sich dort erstreckte, wo Raum und Zeit ihre Bedeutung verloren. Die emotionale Flut begann mit dem Verschwinden der Voyager aus den Badlands, und sie reichte bis zuc einem anderen Ort. Handelte es sich vielleicht um den Tod? War dies der berühmte letzte Augenblick, der das ganze Leben Revue passieren ließ? Aber ich sehe nicht mein eigenes, fuhr es ihr mit erstaunlicher Klarheit durch den Sinn. Ich empfange die Bilder fremder Existenzen. Genau davor hatte Crisa gewarnt – was dazu führte, daß in Stadi eine lange Zeit unterdrückte Angst erwachte.
    Fürchte dich nicht. Tante Shenzis Stimme erklang mit solcher Deutlichkeit, als stünde sie direkt neben Standi. Alles verschmilzt miteinander. Dadurch verlierst du nichts. Ganz im Gegenteil: Du gewinnst etwas hinzu. Tante Shenzi war vor sieben Jahren gestorben. Sie und ihre menschliche Partnerin hatten sich an Bord eines Passagierschiffes befunden, das von den Borg vernichtet wurde. Komm und erzähl mir davon.
    Stadi stellte es sich als eine Art Heimkehr vor, und Erleichterung durchströmte sie bei der Vorstellung, den Lärm der menschlichen Panik zu verlassen. Seit dem Beginn ihres Studiums an der Starfleet-Akademie hatte sie nicht mehr jene emotionale Ruhe genossen, die es für sie nur auf Betazed gab.
    Bestimmt vermißte sie die Emanationen der Menschen, aber die Freude über den in Aussicht gestellten Seelenfrieden war größer.
    J a, Tante Shenzi, ich komme. Sie spürte, wie das Schiff aus der Dunkelheit in ein so helles Licht fiel, daß es ihr durch Hände, Gesicht und Brust brannte. Dafür gab es nur eine Erklärung: Es ging mit der Voyager zu Ende. Das Gleißen stammte von der Explosion, die das Schiff in Stücke riß. Das Licht schien Stadis Selbst vom Körper zu lösen und nach oben zu tragen, fort von Lärm und Entsetzen, von Furcht und Schmerz. Sie lächelte, umarmte Tante Shenzi und begab sich mit ihr in einen Bereich herrlicher Stille.
    Seltsame Lichtbahnen glühten auf dem großen Bildschirm, und der Erste Offizier Cavit verglich sie mit den Plasmatentakeln der Badlands. Oder war es vielleicht die Ionenspur eines sterbenden Schiffes, das die Voyager zu einem Ort locken wollte, von dem nicht einmal die Maquisards entkommen konnten? Sterne existierten nicht mehr. Die Zeit stand fast still.
    Selbst das gewaltige Bewegungsmoment eines im Warptransit fliegenden Raumschiffs verlor sich für Cavits Sinne wie ein vom Doppler-Effekt heimgesuchter, rasch verklingender Schrei. Alles war wie in Bernstein gefangen beziehungsweise an den erstarrten Samt einer Raum-Zeit-Anomalie geheftet.
    Und dann, mit einem jähen Krachen, geriet die Realität

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