Der bessere Mensch
geschätzter Kunde – diskret, höflich, gutes Trinkgeld, und was Mesaric so mitbekam, behandelte er auch die Frauen sehr zuvorkommend. Als er an besagtem Tag in den neunzehnten Bezirk fuhr, stand hundert Meter vor Borns Haus ein Wagen in der Einbahnstraße und hatte die Warnblinkleuchten an. Mesaric stieg aus, um dem Fahrer seine Hilfe anzubieten. Allerdings saß niemand im Auto, also beschloss er, zurückzuschieben und Borns Haus von der anderen Seite anzufahren – wenn die Straße blockiert war, würde ihm in der Einbahn ohnehin niemand entgegenkommen. Er ging zurück zum Wagen und stieg ein. Sah im Spiegel eine maskierte Person auf dem Rücksitz, wollte die Tür aufreißen, wurde von hinten um den Hals gepackt und bekam ein feuchtes Tuch aufs Gesicht gedrückt, das stark nach Alkohol roch. Und dann? Dann nichts mehr. Als er wieder aufwachte, stand die Limousine auf einem Parkplatz am Cobenzl, die Frau war verschwunden und Mesaric hatte schlimme Kopfschmerzen. Er fuhr zurück zu seiner Arbeitgeberin und teilte ihr mit, was passiert war. Vorerst solle er keine Anzeige machen, wurde ihm geraten. Schließlich sei er ohne Aufenthaltsbewilligung in Österreich, seine Chefin würde das schon klären. Und als er am nächsten Tag erfuhr, was mit Born passiert war, packte er und floh in seine Heimat. Für den Überfall auf Schröck kam er damit auch nicht in Frage.
„Die Afrikanerin“, rief Schäfer ins Telefon und stand ruckartig von seinem Tisch auf, was ein paar Gäste veranlasste, sich abfällig über diesen besoffenen Proleten zu äußern, „wo ist die jetzt?“
„Das weiß er nicht … sie nennt sich Kanika … da muss uns das Escortservice weiterhelfen.“
„Ich rufe gleich den Staatsanwalt an …“
„Sollte das nicht lieber ich übernehmen?“, fragte Bergmann besorgt.
„Warum? … Ach so, ja … meinetwegen … geben Sie mir Bescheid. Wann kommen Sie zurück?“
„Wir vernehmen Mesaric morgen Vormittag noch einmal … vielleicht fällt ihm über Nacht noch etwas ein … wenn wir gegen Mittag losfahren, sind wir am Abend in Wien.“
„Gönnen Sie sich eine Strandpause, Bergmann … oder gönnen Sie sie zumindest Kovacs.“
„Ja … wenn es sich ausgeht … Wiedersehen.“
Schäfer setzte sich, trank sein Glas leer und bestellte die Rechnung. Er überlegte, noch einmal ins Wasser zu springen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Nein, am Ende würde er sich noch vor den anderen Badegästen übergeben oder einen Krampf bekommen und aus dem Wasser gezogen werden müssen.
14.
Woher kam dieser Geschmack in seinem Mund … metallisch, alkalisch, als ob er an einer Batterie geleckt hätte … ein Kurzschluss, dachte Schäfer in Erinnerung an den vergangenen Abend, während er im Spiegel seine müden Augen sah. Ob die Neurologie in naher Zukunft auf etwas stoßen würde, mit dem man Menschen helfen konnte, die bei Stress und in Zeiten der Ungeduld auf Alkohol und andere schädliche Substanzen zurückgriffen? Auf den freien Willen und die Selbstbeherrschung wahrscheinlich, Schäfer seufzte und stellte sich unter die Dusche. Immerhin hatten sie jetzt die Aussage eines Zeugen und den Namen der Prostituierten. Damit würden sie den Escortservice in die Mangel nehmen. Der Gedanke, den Nachmittag mit der Befragung von Nobel-Callgirls zuzubringen, gefiel Schäfer. Da gab es sicher genug Männer, die Unsummen dafür bezahlten, um mit diesen Frauen nur zu reden. Aus Einsamkeit; weil sie nichts anderes kannten, als für jeden Dienst, den sie in Anspruch nahmen, zu bezahlen. Weil sie nichts zu sagen hatten, das sich jemand anderer freiwillig anhörte und obendrein Interesse daran zeigte. Was für eine abnormale Normalität, sagte sich Schäfer und drehte den Temperaturregler in den blauen Bereich, um die aufsteigende Melancholie im Keim zu erfrieren.
In der Morgenbesprechung teilte Schäfer seinen Mitarbeitern Kollers neueste Erkenntnisse und die Ergebnisse von Bergmanns Befragung mit. Im Laufe des Vormittags würde die Bewilligung der Staatsanwaltschaft eintreffen, mit der sie in die Kundenliste des Escortservice Einblick nehmen könnten. Als er in die Runde blickte, glaubte er zu erkennen, dass alle Anwesenden – bis auf Schreyer vielleicht – denselben Gedanken hatten: die Freier von Nobelprostituierten, das würde ein Spaß werden. Die Ergebnisse müssten sie selbstverständlich streng vertraulich behandeln, fügte Schäfer hinzu. Sollte es in nächster Zeit im Kommissariat zu Geraune über die sexuellen
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