Der bessere Mensch
vielleicht ungelegen kommt“, meinte Schäfer schließlich, „aber ich muss Sie bitten, umgehend ins Kriminalamt am Schottenring zu kommen.“
„Gar kein Problem“, erwiderte die Frau, die sich nun ernsthaft Sorgen zu machen schien.
Sie verließen das Gebäude und gingen zum Auto, dessen Innenraum sich in der kurzen Zeit am Parkplatz für Schäfers Empfinden unerträglich aufgeheizt hatte.
„Kann mir mal einer erklären, warum wir nur dunkelblaue und schwarze Dienstwagen bekommen?“
„Keine Ahnung“, erwiderte Leitner, startete den Motor und drehte die Klimaanlage auf die höchste Stufe. „Was sollen wir jetzt machen?“
„Wir schreiben sie zur Fahndung aus“, antwortete Schäfer und fächelte sich mit einem Straßenatlas Luft zu.
Als sie im Kommissariat eintrafen, wartete die Mitbewohnerin von Kanika Müller bereits auf sie. Die Uni war quasi ums Eck und nach dem, was Schäfer ihr erzählt hatte, wollte sie nicht bis zum Ende der Vorlesung warten.
Schäfer trug Leitner auf, sich um die Fahndung zu kümmern, und bat die junge Frau in sein Büro.
„Ich habe nur mehr Kaffee und Leitungswasser hier“, meinte er entschuldigend.
„Wasser ist perfekt … bei der Hitze kann man gar nicht genug trinken.“
„Ganz meine Meinung“, Schäfer nahm zwei Gläser aus dem Wandschrank, „setzen Sie sich.“
Eine halbe Stunde später wusste er, dass Kanikas Mutter von der Elfenbeinküste stammte, sie selbst allerdings in Deutschland geboren war. Ihr Vater war aus Hamburg, doch die Eltern hatten sich schon vor längerer Zeit scheiden lassen. Nein, deren Vornamen kannte ihre Mitbewohnerin leider nicht. Und auch nicht den Namen des Freundes, mit dem Kanika angeblich auf Urlaub gefahren war. Schäfer seufzte tief und beeilte sich, der Frau zu sagen, dass sie das bitte nicht als Vorwurf verstehen solle. Es wäre sehr aufwendig, jemanden ohne vollständigen Namen zu finden – und er würde ihre Freundin lieber heute als morgen in Sicherheit wissen. Nachdem die Studentin ihm alle Telefonnummern von gemeinsamen Bekannten gegeben hatte, verabschiedete er sie. Er griff zum Telefon und wählte die Durchwahl von Inspektor Schreyer. Den deutschen Kollegen Arbeit aufhalsen, Universitätsbeamte nach Feierabend stören, Rundrufe organisieren … das war genau die Kragenweite seines Hofnarren, der in der Nacht, wenn ihn weniger ablenkte, ohnehin am besten arbeitete. Nachdem er Schreyer mit den nötigen Informationen versorgt hatte, rief Schäfer Bergmann an. Was glaubte der Schlawiner eigentlich … ein ganzer Tag, ohne sich zu melden.
„Hallo Bergmann, ich bin’s, Ihr Major, Sie wissen schon, von der Kriminalpolizei in Wien, die Ihr Gehalt bezahlt … Wo? … Na, Sie sind mir ein Tagedieb …Im Meer sollen Sie baden, habe ich Ihnen gesagt, nicht in einem Kärntner See … Und, ist ihm noch irgendwas Wichtiges eingefallen … Ja … Nein, die ist ebenfalls untergetaucht, wir haben sie zur Fahndung ausgeschrieben … Ist gut, dann sehen wir uns morgen.“
Schäfer legte den Hörer auf und schüttelte den Kopf. Was war denn in seinen Assistenten gefahren? Nimmt einen Umweg über Kärnten und geht dort mit seiner Kollegin schwimmen. Und dann erzählte er ihm das auch noch ganz freimütig. Schäfer sah auf die Uhr. Dann öffnete er im Webbrowser die Internetseite einer Tageszeitung und sah das Kinoprogramm durch. „Revanche“ … den wollte er sich schon lange ansehen. Das Handy würde er auf Vibrationsalarm stellen und in seine Hosentasche stecken, dann könnten sie ihn genauso erreichen, wie wenn er hier oder zu Hause wäre.
15.
Er hatte sein Jackett noch nicht ausgezogen, als der Empfang anrief und ihm mitteilte, dass eine Kanika Müller hier wäre und mit ihm sprechen wolle. Schäfer konnte es nicht glauben. „Die Nutte, die Nutte!“, rief er Bergmann zu und begab sich im Laufschritt hinunter, damit die Frau es sich nicht doch noch anders überlegte. Er begrüßte sie, bedankte sich für ihr Erscheinen und bat sie in sein Büro. Anfangs wirkte sie nervös, als hätte sie selbst sich etwas zuschulden kommen lassen. Doch Schäfer und Bergmann gelang es bald, sie zu beruhigen und ihr zu versichern, dass es die beste Entscheidung gewesen war, zur Polizei zu gehen.
„Er hat Ihnen Angst gemacht, oder?“, fragte Schäfer, „sonst wären Sie vermutlich schon früher zu uns gekommen.“
„Ja … wahrscheinlich … also Angst … er war eigentlich sehr freundlich zu mir … wenn ich nicht am nächsten Tag gelesen
Weitere Kostenlose Bücher