Der bessere Mensch
hätte, was er getan hat, dann wäre es nicht so schlimm gewesen … die schwarze Maske, die hat mir am meisten Angst gemacht … und dass er sich so komisch bewegt hat …“
„Wie?“
„So wie … wie ein Tier irgendwie … nein … mechanisch vielleicht … auf jeden Fall komisch …“
„Was genau hat er zu Ihnen gesagt?“, wollte Bergmann wissen.
„Dass ich überhaupt keine Angst zu haben brauche … dass er mir bestimmt nichts tun wird … das mit dem Betäubungsmittel tue ihm leid, aber es würde mir nicht schaden … ein bisschen Kopfweh könnte ich bekommen … ich habe ganz furchtbare Kopfschmerzen gehabt danach …“
„Wo sind Sie wieder zu sich gekommen?“
„Im Wagen, in der Garage … kurz darauf ist er eingestiegen und wir sind losgefahren … auf der Straße zum Cobenzl hat er mich hinausgelassen …“
„Warum sind Sie nicht zur Polizei gegangen?“
„Er hat mich darum gebeten …“
„Ähm … das müssen Sie uns genauer erklären: Ein maskierter Mann betäubt zuerst Ihren Chauffeur und dann Sie … danach fährt er mit Ihnen ins Grüne, lässt Sie aussteigen und bittet Sie, nicht zur Polizei zu gehen, gut, das kann ich noch Ihrem verwirrten Zustand zuschreiben … doch als Sie am nächsten Tag erfahren, dass Herr Born ermordet wurde, melden Sie sich immer noch nicht? Das ist sehr seltsam, finden Sie nicht?“
„Ja“, meinte sie und sah zur Tür, „was hätte ich denn tun sollen? Die Polizei, ich meine …“
„Sie meinen, dass es sich eine Person mit dunkler Hautfarbe in Österreich zweimal überlegt, bevor sie sich der Polizei anvertraut“, meinte Bergmann sanft.
„Kann sein“, erwiderte sie und erinnerte Schäfer damit daran, dass es aufgrund der rassistisch bedingten Übergriffe einiger Polizeibeamter in den letzten Monaten tatsächlich einen guten Grund gab, ihnen zu misstrauen: ein nigerianischer Schubhäftling halb totgeschlagen, ein Geschäftsmann aus Ghana verprügelt, weil er für einen Dealer gehalten worden war, und das waren nur die Fälle, die aufgrund der Schwere der Verletzungen in die Schlagzeilen geraten waren.
„Wir wollen Sie in keiner Weise für den Tod von Herrn Born mitverantwortlich machen … Sie standen unter Schock, hatten Angst, da kann es schon passieren, dass man nicht gleich das Naheliegende tut. Aber jetzt müssen wir von Ihnen alles wissen, was Ihnen Herr Born anvertraut hat.“
Nichts, was über den privaten Bereich hinausging. Und auch da sehr wenig: Dass er am liebsten Szegediner Gulasch aß; dass er als Kind stundenlang den Flugzeugen im Himmel nachgeschaut und sich vorgestellt hatte, wie es dort aussah, wo sie hinflogen; dass seine Frau sich überhaupt nicht für seine sexuellen Vorlieben interessierte; dass sie ihn zum letzten Mal oral befriedigt hatte, als sie in den Siebzigerjahren nach einer Studentenfeier betrunken nach Hause gekommen waren.
„Erinnern Sie sich bitte noch einmal genau an den Mann im Auto“, forderte Schäfer sie schließlich auf. „Wie war seine Stimme?“
„Ruhig … irgendwie komisch … als ob er laut flüstern könnte … heiser …“
„Sprach er Hochdeutsch, im Dialekt oder hatte er einen Akzent?“
„Keinen Dialekt … aber einen leichten Akzent.“
„Können Sie ihn nachmachen, diesen Akzent? Sagen Sie einfach, was er zu Ihnen gesagt hat …“
„Sie müssen überhaupt keine Angst haben“, sagte sie langsam und versuchte, ihrer Stimme eine fremde Färbung zu verleihen.
Schäfer sah Bergmann fragend an.
„Klingt irgendwie böhmisch“, meinte dieser.
„Böhmisch?“, wunderte sich Schäfer.
„Na ja … so ähnlich hat meine Großmutter gesprochen … die ist aus Böhmen zugewandert …“
„Ah! Böhmisch!“
„Sag ich doch: böhmisch.“
„Ähm … kann ich Ihnen irgendwie weiterhelfen?“ Die junge Frau sah von Schäfer zu Bergmann.
„Wie? … Nein … war nur ein Missverständnis, wegen böhmisch und böhmisch“, erklärte Schäfer, worauf Kanika Müller verunsichert mit dem Kopf nickte.
Zum Abschluss ihres Gesprächs bot Schäfer ihr an, sie für die nächste Zeit unter Polizeischutz zu stellen, was sie sofort ablehnte. Sie würde noch heute zu ihrer Mutter nach Deutschland zurückfahren. Ein Freund begleite sie, auf den könne sie sich verlassen.
Kurz vor elf rief Schäfer seine Gruppe zusammen, um die neuesten Informationen durchzugehen. Bergmann hatte ein detailliertes Protokoll seines Gesprächs mit Mesaric erstellt, das ihnen einige weitere Anhaltspunkte zum
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