Der Bestatter: Thriller (Christian Beyer-Reihe)
sich immer noch um den Klausi gekümmert, nachdem das
mit uns schon längst vorbei war. Hat ja eh nicht lang gehalten.«
Heidi nahm noch einen kräftigen Schluck aus der Pulle.
»Verreist der Herbert viel?«
Heidi Backes schüttelte den Kopf und trank weiter. Zwischendurch
rotzte sie lautstark in ein Taschentuch. »Nö, nicht, daß ich wüßt. Nur im Mai,
oder war das April, da ist er mal nach Holland. Da hat er den Klausi sogar
mitgenommen. Zu entfernten Verwandten.«
»Hat’s dem Klausi denn da gefallen?« fragte Volker.
»Bestimmt. Hat mir sogar ’ne Karte geschickt«, fiel ihr plötzlich
ein. Sie erhob sich schleppend und kramte in einer Küchenschublade. »Hier, die
hat er mir geschickt, der Klausi.« Sie reichte Volker stolz eine Ansichtskarte
mit einer jungen Frau in Hollandtracht und einem riesigen Käserad in den
Händen. Volker sah kurz auf den nichtssagenden Text und bat, die Karte
ausleihen zu dürfen. Heidi schenkte sie ihm.
»Wissen Sie die Namen der Verwandten in Holland?« fragte Christian,
nachdem er einen Blick auf die Karte geworfen hatte. Sie war in Eindhoven
abgestempelt. Heidi schüttelte wiederum den Kopf.
»Ist der Herbert eigentlich ein guter Katholik? Viel Nächstenliebe
hat er ja, wenn er mit einem armen Kind in Urlaub fährt«, setzte Christian
hinzu.
Heidi sah ihn irritiert an: »Das schon. Aber auf die Kirche scheißt
der. Aber deswegen ist er doch noch kein schlechter Mensch, gell?«
»Nein, natürlich nicht«, pflichtete Volker ihr bei.
Volker, der Petes Zurückhaltung durchaus bemerkt hatte, nickte Pete
zu, um ihm den Zeitpunkt für seine Fragen zu signalisieren.
»Und Ihr Klaus hat den Herbert auch gemocht?« begann Pete mit
deutlich distanzierterem Tonfall als Volker.
»Ja, logisch, der hat doch mit ihm Fußball gespielt. Und Geschenke
hat er ihm auch gemacht. Kann ich ja nicht mit meiner Sozialhilfe.«
»Und Ihnen ist nie in den Sinn gekommen, daß der Herbert vielleicht
ein Pädophiler ist?« fragte Pete ganz sanft.
»Ein was?«
Christian beugte sich über den Tisch, ganz dicht vor Heidis Gesicht:
»Sie waren doch immer ganz froh, wenn der Herbert ihren anstrengenden Klausi
ein paar Tage mitgenommen hat, damit Sie in aller Ruhe die Sozialhilfe in der
Kneipe versaufen konnten. Und da war es Ihnen auch egal, daß der charmante
Herbert«, nun schrie Christian, »ihren Klausi gefickt hat!«
Heidis tränenverschleierter Blick weitete sich geschockt, sie hob
die Hände, als wäre sie geschlagen worden. Aus ihrem Mund quoll ein geradezu
unmenschliches Röcheln.
Christian erhob sich und ging Türen knallend hinaus. Sein Ausbruch
war zwar kalkuliert gewesen, aber nicht kontrolliert. Zumindest Volker würde es
bemerkt haben, das wußte Christian.
Heidi sah ihm entsetzt hinterher. Tränen schossen ihr in die Augen.
Verzweifelt wandte sie sich an Volker: »Das ist doch nicht wahr, was der
gemeine Kerl da gesagt hat, das ist doch einfach nicht wahr!«
Pete legte ihr sanft die Hand auf den Unterarm. »Doch, es tut uns ja
auch leid, aber das ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur
allzu wahr.«
Heidi achtete überhaupt nicht auf Pete, sie war ganz fixiert auf
Volker. Der nickte ernst.
Nun schien das Wrack Heidi vollends in seine Einzelteile zu
zerbrechen: »Das hab ich doch nicht gewußt, ehrlich. Um Himmels willen!«
»Natürlich nicht, sonst hätten Sie dem Herbert doch Ihren Klausi nie
und nimmer anvertraut«, sagte Volker.
Heidi Backes nickte so vehement, daß ihr die blondierten Locken in
die Augen fielen. Sie strich sie wieder nach hinten und lächelte Volker
entrückt an. Pete wandte den Blick angewidert von ihr ab.
Etwa zwanzig Minuten später verließen auch Volker und Pete
das Haus. Christian lehnte am Streifenwagen und ließ nervös einen Euro durch
seine Finger gleiten. Pete und Volker stiegen ein, Christian steckte den Euro
in die Hosentasche und folgte ihnen. Er bat den Beamten, sie nach Saarbrücken
zu fahren, wo sie sich mit Kommissar Philipp treffen wollten.
»Und?« fragte Christian, als der Beamte losgefahren war, »hat sie
noch was erzählt?«
Volker verneinte: »Deine Schocktherapie hat sie kalt erwischt. Aber
da war leider nichts. Sie kennt keine Kumpels von Herbert, weiß kaum etwas über
ihn, außer daß er wegen eines Autounfalls eine kleine Versehrtenrente bekommt.
Steifes Bein. Das mit Klaus ging seit einem knappen Jahr so.«
»Von wegen Schock. Sie hat es mit Sicherheit gewußt. Oder zumindest
geahnt und die Augen
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