Der Bestatter: Thriller (Christian Beyer-Reihe)
liegt Jahre zurück. Sie hält ihn für einen … wie hat sie
gesagt … ›ganz normal gefühlskalten Menschen‹. Hübsch, nicht?«
Anna grübelte. »Hast du sie nach den Pflanzen gefragt? Carlos kannte
sogar den lateinischen Namen von dem Grünzeug in meiner Praxis.«
Pete nickte: »Im ganzen Haus sind keine. Und als ich sie fragte, ob
ihr Gatte sich mit Blumen auskennt, hat sie nur gelacht. ›Mein Mann haßt alles
Lebendige, deswegen haben wir auch keine Kinder‹, hat sie gesagt.«
»Klingt ja nach ’ner erfüllten Ehe. Wo fährst du eigentlich hin?«
»Ich bringe dich nach Hause und verzieh mich, okay?«
»Was denkst du, soll ich mal mit Christian reden? Wegen deiner
Suspendierung, meine ich.«
»Untersteh dich! Erstens bist du nicht meine Mutti und ich nicht
mehr im Kindergarten. Und zweitens bist du vermutlich genau die Falsche.«
Anna wußte, daß er recht hatte.
Nur zwei Stunden später rief Christian bei Anna zu Hause
an. Ihre Hoffnung, er würde sich entschuldigen für seinen rüden Ton, erfüllte
sich allerdings nicht. Statt dessen bat er sie übellaunig zurück ins
Untersuchungsgefängnis. Detering wolle mit ihr sprechen, und nur mit ihr. Er
habe angekündigt, Licht in den Fall zu bringen, wenn Anna sich bereit erkläre,
ihm ohne Umschweife einige Fragen zu beantworten. Aufgeregt fragte Anna:
»Glaubst du, daß er gestehen will?«
»Der kalte Hund? Nie im Leben. Aber ich bin gespannt, was er diesmal
für Märchen erzählt. Nimm dir ein Taxi, wir zahlen selbstverständlich.«
Detering gab sich entspannt und selbstsicher, als er
erneut in das Vernehmungszimmer gebracht wurde. Souverän begrüßte er Anna,
setzte sich hin, schlug die Beine übereinander und bat um Kaffee, schwarz und
ohne Zucker, und um eine Zigarette.
Anna bot Detering eine von ihren Zigaretten an und gab ihm Feuer:
»Was kann ich für Sie tun?«
Genüßlich zog Detering an der Kippe. Er nahm sich Zeit für die
ersten drei Züge und bemerkte mit kaum unterdrückter Zufriedenheit, wie sehr er
Christian damit provozierte.
Detering wandte sich demonstrativ nur an Anna: »Gestatten Sie mir
zuerst ein paar Fragen, damit mein Verdacht bestätigt wird.«
Anna sah fragend zu Christian, der nickte.
»Was wollen Sie wissen?« Anna schlug einen höflichen, sachlichen Ton
an.
»Sie sind sicher, daß ich das war in Ihrer
Praxis?«
Anna nickte.
»Wie oft war ich bei Ihnen?«
»Nur zweimal. Sie haben mir außerdem ein paarmal gemailt.«
»Was genau habe ich Ihnen erzählt?«
»Das sollten Sie selbst am besten wissen«, unterbrach Christian.
Leicht spöttisch sah Detering zu Christian und meinte: »Wenn Sie
sich da mal nicht irren!« Dann wandte er sich wieder an Anna: »Habe ich Ihnen
eine Adresse angegeben? Damit Sie die Rechnung wohin schicken können, oder so
was?«
Anna schüttelte den Kopf: »Sie haben bar bezahlt.«
»Und ich habe mich als Carlos vorgestellt?«
Anna nickte: »Das passiert dann und wann, daß ein Patient beim
ersten Mal unter falschem Namen kommt. Weil er sich schämt, weil er der
Schweigepflicht mißtraut …«
Detering drückte seine Zigarette aus: »Was ja wohl auch berechtigt
ist, wie man sieht.«
»Bei Gefahr im Verzug habe ich als Therapeutin nicht nur das Recht,
sondern auch die Pflicht, Prioritäten abzuwägen.«
Christian mischte sich erneut ein: »Wollen Sie jetzt nicht langsam
mal zur Sache kommen, Herr Detering? Ihr Informationsbedürfnis in allen Ehren,
aber das Spiel läuft genau andersherum. Ich will was von Ihnen hören.«
Aufreizend langsam drehte sich Detering zu Christian und sah ihn an.
Er musterte ihn von Kopf bis Fuß und kräuselte verächtlich die Oberlippe, als
habe er etwas ganz besonders Widerliches im Mund. Dann wandte er sich wieder
Anna zu.
»Ihr Patient heißt Detering«, sagte er zu ihr und drehte sich dann
wiederum zu Christian. Diesmal lächelte er überheblich: »Und Ihr Mörder heißt
vermutlich auch Detering. Aber nicht Karl Detering, sondern Wilhelm. Mein
angeblich verstorbener Zwillingsbruder. Eineiig natürlich, deswegen die
Verwechslung.«
Anna sah Christian überrascht an. Der zeigte keine sichtbare
Reaktion. Einige Sekunden lastete Schweigen auf dem Raum. Nur das Brummen einer
fetten Stubenfliege war zu hören, die mit ihren Flügeln aufgeregt in der Hitze
des Zimmers herumrührte.
»Hübsche Geschichte«, meinte Christian schließlich. »Und wann ist
der werte Wilhelm verstorben? Und wie ist er von den Toten wieder auferstanden?
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