Der beste Karlsson der Welt
übrigens?»
Doch das erfuhr Fille nicht mehr, denn auf einmal hörte man Schritte, die durch die Diele näher kamen. Lillebror erkannte Fräulein Bocks schwerfälligen Gang, und er dachte aufgeregt: Jetzt gibt es bestimmt einen Knall, schlimmer als bei Gewitter.
Es kam jedoch kein Knall.
«Schnell rein in ’n Schrandwank», zischte Fille, und bevor Lillebror auch nur blinzeln konnte, verschwanden Fille und Rulle in seinem Wandschrank.
Nun kam aber Leben in Karlsson. Schnell und leise kroch er los, auf den Wandschrank zu und schloß die Tür ab. Dann kroch er ebenso rasch wieder an seinen Platz unterm Bett zurück, und in der nächsten Sekunde schritt Fräulein Bock zur Tür herein, fast wie ein Weihnachtsengel anzusehen in ihrem weißen Nachthemd und mit einer brennenden Kerze in der Hand.
Lillebror merkte, daß sie jetzt ans Bett trat, denn er sah, wie ihr großer Zeh unter dem Rand der Decke erschien, und gleichzeitig hörte er ihre strenge Stimme hoch über seinem Kopf.
«Bist du eben in meinem Zimmer gewesen, Lillebror, und hast du mit einer Taschenlampe geleuchtet?»
«Nöö, das war ich nicht«, stotterte Lillebror, ohne zu überlegen.
«Weshalb bist du denn wach?» fragte Fräulein Bock mißtrauisch, und dann fügte sie hinzu: «Verkriech dich nicht unter der Decke, man kann gar nicht verstehen, was du sagst!»
Es raschelte, als sie die Decke zurückzog und nun vermutete, Lillebrors Kopf komme zum Vorschein. Aber da stieß sie ein durchdringendes Geheul aus. Armes Fräulein Bock, sie war nicht ganz so daran gewöhnt wie Fille und Rulle, schaurige und todbringende Mumien zu sehen, dachte Lillebror. Ihm war klar, daß es nun an der Zeit sei, hervorzukriechen. Er würde ohnehin entdeckt werden, und außerdem brauchte er Hilfe, denn Fille und Rulle saßen ja noch im Wandschrank. Das mußte er Fräulein Bock sagen, und wenn alle Geheimnisse der Welt zugleich ans Licht kämen. Lillebror kroch aus seinem Versteck hervor.
«Bekommen Sie keinen Schreck», sagte er ängstlich. «Mummi ist nicht gefährlich, aber im Wandschrank stecken zwei Diebe!»
Fräulein Bock war durch den Anblick von Mummi noch immer erregt. Sie griff sich ans Herz und atmete schwer. Als aber Lillebror das von den Dieben im Wandschrank erwähnte, wurde sie fast wütend.
«Was ist das für dummes Zeug, was du dir da ausgedacht hast! Diebe im Wandschrank, erzähl mir doch nicht solchen Unsinn!»
Sicherheitshalber ging sie jetzt zum Wandschrank und rief:
«Ist da jemand?»
Es kam keine Antwort, und nun wurde sie noch wütender.
«Antwort! Ist da jemand? Wenn Sie nicht da sind, dann können Sie es doch zum mindesten sagen!»
Da hörte sie mit einemmal ein leises Gemurmel im Wandschrank, und nun erkannte sie, daß Lillebror die Wahrheit gesagt hatte.
«Oh, du mutiger Junge», rief sie aus, «hast zwei große, starke Diebe da eingeschlossen und bist doch so klein! Oh, wie bist du mutig!»
Jetzt polterte etwas unterm Bett, und Karlsson kam hervorgekrochen.
«Denk mal, das ist er gar nicht», sagte Karlsson. «Denk mal, ich hab’ das nämlich getan!» Er starrte Fräulein Bock und Lillebror abwechselnd böse an.
«Ja, stell dir vor, ich bin mutig und in jeder Weise in Ordnung», sagte er. «Und grundgescheit und übrigens auch sehr hübsch und auch kein dicker Klumpen, basta!»
Fräulein Bock geriet gänzlich aus den Fugen, als sie Karlsson erblickte.
«Du... du...» schrie sie, aber dann wurde ihr wohl bewußt, daß hier nicht die rechte Zeit und nicht der rechte Ort sei, Karlsson wegen der Pfannkuchen auszuschimpfen. Hier hieß es jetzt, an andere Dinge zu denken, die wichtiger waren. Sie drehte sich heftig zu Lillebror um.
«Lauf sofort rüber und wecke Onkel Julius, damit wir die Polizei anläuten! Oh, dann muß ich mir aber erst einen Morgenrock anziehen», sagte sie mit einem erschrockenen Blick auf ihr Nachthemd. Und dann stürzte sie weg. Lillebror stürzte auch weg. Vorher riß er aber Mummi die Zähne aus dem Gesicht. Er sah ein, daß Onkel Julius sie jetzt eher nötig hatte.
Im Schlafzimmer brauste in voller Lautstärke das Grrr-pü-pü-pü. Onkel Julius schlief wie ein unschuldiges Kind.
Es war mit der Zeit schon etwas heller geworden. Im Dämmerlicht sah Lillebror das Wasserglas wie gewöhnlich dort auf dem Nachttisch stehen. Er ließ die Zähne hineinfallen, so daß es leise platschte. Gleich daneben lagen Onkel Julius’ Brille und Karlssons Bonbontüte. Lillebror nahm die Tüte und steckte sie in die Tasche
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