Der Bestseller
seinen Verkaufszahlen lag er immer im Spitzenfeld. Ich war sicher, daß er Bücher liebte — er las sie bloß nicht. Damit konnte ich leben.
Und irgendwie wußte ich, daß wir ihn im Interesse des Verlags weiterbeschäftigen mußten.
»Mary Sunday hat mir gesagt, daß Sie ein warmes Plätzchen am Ofen suchen«, sagte ich.
»Das stimmt, Nick.«
Ich öffnete den Humidor auf meinem Schreibtisch, nahm eine Zigarre heraus und bot sie ihm an. Er drehte sie hin und her und steckte sie dann in die Innentasche seines Jacketts.
»Danke, Nick. Ich werde sie für eine besondere Gelegenheit auf heben.«
Das Telefon klingelte leise und nur einmal (dann nahm Hannah im Vorzimmer den Anruf entgegen), doch das Klingeln brachte mich auf eine Idee.
»Jerry«, sagte ich, »Sie sind zu jung, um in den Ruhestand zu gehen, und zu gut, um die Branche zu wechseln...«
»Nett, daß Sie das sagen, Nick.«
»...also werde ich Ihnen einen Vorschlag machen.«
»Ich höre.«
»Ich denke seit einiger Zeit darüber nach, ob wir nicht ins Telefonmarketing einsteigen sollten.«
»Wie die großen Verlage? Simon and Schuster... Random House... Doubleday?«
»Genau. Ein Vertreterbesuch kostet uns bis zu zweihundertfünfzig Dollar, und es gibt Buchhandlungen, bei denen sich dieser Aufwand einfach nicht lohnt, die aber genug Bücher bei uns bestellen, um regelmäßige Anrufe zu rechtfertigen.«
»Ich verstehe.«
»Mein Vorschlag ist also folgender: Sie reisen nicht mehr herum, sondern bleiben im Verlag und übernehmen das Telefonmarketing. Ich kann Ihnen dafür nicht soviel bezahlen, wie Sie mit Provision und Bonus verdient haben, aber...«
Jerry winkte ab. »Ich bin sicher, Sie werden mir ein faires Gehalt zahlen, Nick.«
»Also? Was halten Sie davon?«
»Tja...« Er schwieg lange. Dann breitete sich ein freundliches Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Sie tun das doch nicht, um Ellen und mir einen Gefallen zu tun, oder?«
»Absolut nicht. Ich arbeite schließlich, um Geld zu verdienen, Jerry.«
>Und manchmal<, fügte ich in Gedanken hinzu, >manchmal verdiene ich wirklich Geld.<
»Dann nehme ich das Angebot an.«
»Gut.«
Er stand auf, und wir schüttelten uns die Hände. An der Tür drehte er sich um und sagte: »Ich danke Ihnen, Nick. Und meine Frau wird Ihnen ebenfalls danken.«
»Ach, was! Machen Sie sich an die Arbeit.«
Als sich die Tür hinter Jerry Hart geschlossen hatte, rief ich Hannah über die Gegensprechanlage.
»Ja, Nick?«
»Rufen Sie bitte bei Little, Brown an und versuchen Sie, Susan Markham zu erreichen. In New York, nicht in Boston.«
»Sofort.«
Einige Minuten später wurde ich durchgestellt und hörte eine Stimme, die um mindestens eine Oktave anstieg, als ich mich meldete.
»Nick Barlow! Wie schön, von Ihnen zu hören!«
»Ich wollte Sie schon seit einiger Zeit anrufen. Ich habe Ihren Brief bekommen und möchte mich mit Ihnen treffen.«
»Aber gern. Machen Sie einen Vorschlag.«
Ich sah in meinen Terminkalender. Der Rest der Woche war frei.
»Wie wär’s mit einem Cocktail heute abend? Wenn das nicht zu kurzfristig ist.«
»Nein, das ist gut«, sagte sie, und wieder machte ihre Stimme einen bezaubernden kleinen Sprung. »Wo?«
»Sagen wir... im St. Regis. Im King Cole Room. Um sechs.«
»Sehr gut. Und danke für Ihren Anruf.«
»Es war mir ein Vergnügen.«
Als ich auflegte, kamen mir diese Zeilen von Ezra Pound in den Sinn: »Die Gesellschaft schöner Frauen erfrischt mich. Warum sollten wir uns da etwas vormachen? Ich wiederhole: Es erfrischt mich, mit schönen Frauen zu sprechen, auch wenn wir nichts als Unsinn reden. Das Summen der unsichtbaren Antennen ist köstlich und belebend.«
Kurz darauf meldete sich Hannah. »Lieutenant Hatcher ist hier und möchte Sie sprechen.«
Ich stöhnte. >Scheiße, was will er denn jetzt schon wieder?< — »Schicken Sie ihn rein.«
Trotz der Hitze — man hatte das Gefühl, als ginge der Juni schon jetzt in den Juli über — trug Hatcher einen Anzug aus Wolle; Hemdkragen und Krawatte saßen unangenehm eng. Er zog ein knallrotes Taschentuch, wie Cowboys es um den Hals tragen, hervor und wischte sich über die Stirn.
»Setzen Sie sich, Lieutenant. Machen Sie sich’s bequem.«
»Danke.«
»Ziemlich heiß draußen, nicht?«
»Ja. Ich bin froh, daß ich nicht mehr beim Streifendienst bin.«
»Was kann ich für Sie tun?«
Er räusperte sich, zögerte und räusperte sich nochmals. Es folgte noch eine dieser bedeutungsschwangeren Pausen — wieder so
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