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Der Besuch der alten Dame

Der Besuch der alten Dame

Titel: Der Besuch der alten Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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zurückfliegen.
    DER BÜRGERMEISTER Was haben Sie auf dem Herzen? Reden Sie frei von der Leber weg.
    ILL misstrauisch Sie rauchen da eine gute Sorte.
    DER BÜRGERMEISTER Eine blonde Pegasus.
    ILL Ziemlich teuer.
    DER BÜRGERMEISTER Dafür anständig.
    ILL Vorher rauchten Herr Bürgermeister was anderes.
    DER BÜRGERMEISTER Rößli fünf.
    ILL Billiger.
    DER BÜRGERMEISTER Allzu starker Tabak.
    ILL Eine neue Krawatte?
    DER BÜRGERMEISTER Seide.
    ILL Und Schuhe haben Sie wohl auch gekauft?
    DER BÜRGERMEISTER Ich ließ sie von Kalberstadt kommen. Komisch, woher wissen Sie das?
    ILL Deshalb bin ich gekommen.
    DER BÜRGERMEISTER Was ist denn los mit Ihnen? Sehen bleich aus. Krank?
    ILL Ich fürchte mich.
    DER BÜRGERMEISTER Fürchten?
    ILL. Der Wohlstand steigt.
    DER BÜRGERMEISTER Das ist mir das Allerneuste. Wäre erfreulich.
    ILL Ich verlange den Schutz der Behörde.
    DER BÜRGERMEISTER EI. Wozu denn?
    ILL Das wissen der Herr Bürgermeister schon.
    DER BÜRGERMEISTER Mißtrauisch?
    ILL Für meinen Kopf ist eine Milliarde geboten.
    DER BÜRGERMEISTER Wenden Sie sich an die Polizei.

    25
    ILL Ich war bei der Polizei.
    DER BÜRGERMEISTER Das wird Sie beruhigt haben.
    ILL Im Munde des Polizeiwachtmeisters blitzt ein neuer Goldzahn.
    DER BÜRGERMEISTER Sie vergessen, daß Sie sich in Güllen befinden. In einer Stadt mit humanistischer Tradition. Goethe hat hier übernachtet. Brahms ein Quartett komponiert. Diese Werte verpflichten.

    Von links tritt ein Mann auf mit einer Schreibmaschine (Der Dritte).

    DER MANN Die neue Schreibmaschine, Herr Bürgermeister. Eine Remington.
    DER BÜRGERMEISTER Ins Büro damit.

    Der Mann nach rechts ab.

    DER BÜRGERMEISTER Wir verdienen Ihren Undank nicht. Wenn Sie kein Vertrauen in unsere Gemeinde zu setzen vermögen, tun Sie mir leid. Ich habe diesen nihilistischen Zug nicht erwartet. Wir leben schließlich in einem Rechtsstaat.

    Von links kommen die beiden Blinden mit ihren Angelruten, Hand in Hand.

    DIE BEIDEN Der Panther ist frei, der Panther ist frei! Hüpfen Haben ihn knurren gehört, haben ihn knurren gehört! Hüpfen in den Goldenen Apostel. Gehen zu Hoby und Boby, zu Toby und Roby. Hinten Mitte ab.
    ILL Dann verhaften Sie die Dame.
    DER BÜRGERMEISTER Merkwürdig. Äußerst merkwürdig.
    ILL Das hat der Polizeiwachtmeister auch gesagt.
    DER BÜRGERMEISTER Das Vorgehen der Dame ist weiß Gott nicht ganz so unverständlich. Sie haben schließlich zwei Burschen zu Meineid angestiftet und ein Mädchen ins nackte Elend gestoßen.
    ILL Dieses nackte Elend bedeutet immerhin einige Milliarden, Bürgermeister.
    Schweigen.

    DER BÜRGERMEISTER Reden wir ehrlich miteinander.
    ILL Ich bitte darum.
    DER BÜRGERMEISTER Von Mann zu Mann, wie Sie es verlangt haben. Sie besitzen nicht das moralische Recht, die Verhaftung der Dame zu verlangen, und auch als Bürgermeister kommen Sie nicht in Frage. Es tut mir leid, das sagen zu müssen.
    ILL Offiziell?
    DER BÜRGERMEISTER Im Auftrag der Parteien.
    ILL Ich verstehe.
    Er geht langsam links zum Fenster, kehrt dem Bürgermeister den Rücken zu, starrt hinaus.

    DER BÜRGERMEISTER Daß wir den Vorschlag der Dame verurteilen, bedeutet nicht, daß wir die Verbrechen billigen, die zu diesem Vorschlag geführt haben. Für den Posten eines Bürgermeisters sind gewisse Forderungen sittlicher Natur zu stellen, die Sie nicht mehr erfüllen, das müssen Sie einsehen. Daß wir Ihnen im übrigen die gleiche Hochachtung und Freundschaft entgegenbringen wie zuvor, versteht sich von selbst.
    Von links tragen Roby und Toby wieder Kränze, Blumen über die Bühne und verschwinden im Goldenen Apostel.

    DER BÜRGERMEISTER Es ist besser, wir schweigen über das Ganze. Ich habe auch den Volksboten gebeten, nichts über die Angelegenheit verlauten zu lassen.
    ILL kehrt sich um Man schmückt schon meinen Sarg, Bürgermeister! Schweigen ist mir zu gefährlich.
    DER BÜRGERMEISTER Aber wieso denn, lieber Ill? Sie sollten dankbar sein, daß wir über die üble Affäre den Mantel des Vergessens breiten.
    ILL Wenn ich rede, habe ich noch eine Chance, davonzukommen.
    DER BÜRGERMEISTER Das ist nun doch die Höhe! Wer soll Sie denn bedrohen?
    ILL Einer von euch.

    26
    DER BÜRGERMEISTER erhebt sich Wen haben Sie im Verdacht? Nennen Sie mir den Namen, und ich untersuche den Fall. Unnachsichtlich.
    ILL Jeden von euch.
    DER BÜRGERMEISTER Gegen diese Verleumdung protestiere ich im Namen der Stadt feierlich.
    ILL Keiner will mich töten, jeder hofft, daß es einer tun werde, und

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