Der Besucher - Roman
Mann, der Colonel, hat diese Gärten geliebt. Sie sind wie eine Spirale angelegt, von außen nach innen werden sie immer kleiner, und er sagte immer, dass sie wie die einzelnen Kammern einer Muschel wären. Ideen hat er manchmal gehabt!«
Wir gingen weiter und passierten bald einen schmalen torlosen Durchgang in den kleinsten der Gärten, den alten Kräutergarten. In seiner Mitte, umgeben von einem Zierteich, befand sich eine Sonnenuhr. Mrs. Ayres meinte, dass nach wie vor Fische im Teich seien, und wir traten an die zugefrorene Fläche, um uns zu vergewissern. Die Eisschicht war nur dünn und recht beweglich, so dass wir sie herunterdrücken konnten und dann sahen, wie silbrige Blasen unter dem Eis entlang perlten wie Kügelchen bei einem Geduldsspiel.
Dann blitzte kurz ein Farbfleck auf, ein goldener Pfeil im trüben Wasser, und Mrs. Ayres sagte: »Da ist einer!« Sie klang zufrieden, aber nicht besonders aufgeregt. »Da ist noch einer, sehen Sie ihn? Die Armen! Werden sie da drinnen nicht ersticken? Sollte man nicht vielleicht das Eis aufschlagen? Caroline weiß in solchen Dingen Bescheid, ich habe keine Ahnung.«
Ich erinnerte mich an ein Wissensfragment aus Pfadfindertagen und schlug vor, das Eis an einigen Stellen aufzutauen. Ich hockte mich an den Teich, blies in meine bloßen Hände – Handschuhe trug ich nicht – und legte dann die Handflächen auf das Eis. Mrs. Ayres beobachtete mich dabei, schlug dann auf elegante Weise ihren Rock ein und hockte sich neben mich. Das Eis brannte mir auf den Handflächen, und als ich die nassen Hände zum Mund hob, um sie zu wärmen, war kaum mehr Gefühl darin. Ich schüttelte die Finger aus und verzog das Gesicht.
Mrs. Ayres lächelte. »Ach – ihr Männer seid manchmal so verweichlicht wie die Babys!«
Ich erwiderte lachend: »Ja, das sagen die Frauen immer. Warum eigentlich?«
»Weil es stimmt. Frauen sind dafür geschaffen, Schmerz zu ertragen. Wenn ihr Männer dagegen eine Geburt durchstehen müsstet …«
Sie beendete den Satz nicht, und ihr Lächeln erlosch. Ich hielt mir die Hände wieder vor den Mund und hauchte hinein, dabei rutschte mein Ärmel herunter und enthüllte meine Armbanduhr. Sie warf einen Blick darauf und sagte in verändertem Tonfall: »Vielleicht ist Caroline jetzt schon zu Hause. Sie möchten sie doch bestimmt sehen?«
»Ich bleibe auch gern noch hier«, erwiderte ich höflich.
»Ich möchte Sie aber nicht davon abhalten, Caroline zu treffen.«
An der Art und Weise, wie sie das sagte, war etwas Seltsames. Ich begegnete ihrem Blick und bemerkte, dass sie trotz Carolines und meiner Vorsichtsmaßnahmen sehr gut wusste, wie die Dinge zwischen uns standen. Ein wenig verlegen wandte ich mich zum Teich zurück. Ich legte noch einmal die Handflächen auf das Eis, dann hob ich sie mehrmals wieder und wärmte sie an, bis ich endlich spürte, wie das Eis nachgab, und zwei ungleichmäßige Öffnungen entstanden waren, durch die man das teebraune Wasser sehen konnte.
»Na bitte«, sagte ich, zufrieden über meine Arbeit. »Nun können die Fische es den Eskimos gleichtun, bloß umgekehrt: Durchs Eis Fliegen fangen und was weiß ich nicht. Sollen wir weitergehen?«
Ich bot ihr meine Hand, doch sie antwortete nicht und erhob sich auch nicht. Sie betrachtete mich, während ich mir das Wasser von den Händen schüttelte, und sagte dann leise: »Ich freue mich für Sie und Caroline, Dr. Faraday. Ich gebe gern zu, dass ich zuerst nicht so begeistert davon war. Als Sie zu uns ins Haus kamen und ich bemerkte, dass Sie und meine Tochter womöglich eine Verbindung eingehen könnten, gefiel mir die Vorstellung gar nicht. Ich bin in diesen Dingen altmodisch, und Sie waren nicht ganz die Partie, die ich mir für sie vorgestellt hatte. Ich hoffe, Sie haben mir das nicht angemerkt.«
Nach kurzem Überlegen erwiderte ich: »Doch, ich habe es wohl geahnt.«
»Dann tut es mir leid.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Spielt das denn noch eine Rolle?«
»Sie haben doch vor, sie zu heiraten?«
»Ja, das habe ich.«
»Und Sie schätzen sie?«
»Ja, ich schätze sie sehr. Ich schätze Sie alle sehr. Ich hoffe, dass Sie das wissen. Sie haben mir gegenüber einmal angedeutet, dass Sie Angst davor hätten … verlassen zu werden. Doch wenn ich Caroline heirate, will ich nicht bloß für sie sorgen, sondern mich auch um Sie kümmern, Mrs. Ayres, und um das Haus. Und auch um Roderick. Sie haben eine schwere Zeit durchgemacht. Doch nun, wo es Ihnen besser geht, Mrs.
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