Der Besucher - Roman
du dir sicher?«, fragte ich und blickte zur geschlossenen Vordertür des Hauses hinüber. »Meinst du nicht, dein Besuch war ihr vielleicht bloß unangenehm und sie hat deshalb schroffer reagiert, als sie eigentlich wollte?«
»Das glaube ich nicht. Sie war sehr freundlich; sie schien sich sogar zu freuen, mich zu sehen. Sie hat sich Sorgen um dich gemacht.«
»Tatsächlich?«
»Ja, sie war sehr froh, dass du dich David und mir anvertraut hast.«
Sie sagte das, als könne es mich irgendwie trösten. Mir dagegen wurde ganz übel vor Angst, wenn ich mir vorstellte, dass Caroline sich freute , wenn ich die Nachricht über unser beendetes Verhältnis anderen mitteilte – dass sie mit anderen Worten froh war, die Verantwortung für mich an andere weiterreichen zu können.
Die Angst muss sich auf meinem Gesicht gezeigt haben. Anne sagte: »Ich wünschte wirklich, es wäre anders. Ganz ehrlich. Ich habe in deinem Interesse gesagt, was ich nur konnte. Caroline hat tatsächlich mit großer Herzlichkeit über dich gesprochen! Sie mag dich offenbar wirklich sehr. Aber sie sprach auch darüber … nun … was bei ihren Gefühlen für dich fehlt. Ich glaube nicht, dass eine Frau sich in diesen Dingen täuschen kann … Und dann die ganze andere Geschichte: dass sie das Haus verlassen und Hundreds zum Verkauf anbieten will. Das meint sie offenbar auch ganz ernst. Wusstest du, dass sie schon angefangen hat, Dinge zusammenzupacken?«
»Was?«, sagte ich.
»Es sieht aus, als ob sie seit Tagen eifrig dabei ist. Sie hat erzählt, dass schon ein Händler im Haus war, um ihr ein Angebot für die Einrichtung zu machen. All die schönen Sachen! Es ist wirklich ein Jammer!«
Einen Moment lang saß ich starr und schweigend da. Dann sagte ich: »Das ertrage ich nicht!«, öffnete die Autotür und stieg aus.
Ich glaube, Anne rief mir noch etwas hinterher, doch ich schaute mich nicht mehr um. Wutentbrannt marschierte ich über den Kies und eilte die Stufen hinauf, und als ich die Vordertür mit den Schultern aufstieß, traf ich Caroline gleich dahinter an, zusammen mit Betty. Sie waren gerade dabei, einen Umzugskarton auf dem Marmorfußboden abzustellen. Andere Kartons und Kisten standen im Treppenhaus verteilt. Die Eingangshalle selbst wirkte kahl; die Bilder an den Wänden fehlten, die Zierobjekte waren entfernt worden, und Tische und Schränke waren von den Wänden abgerückt worden und standen ungelenk im Raum herum wie Gäste bei einer misslungenen Gesellschaft.
Caroline war in ihre alten Drillichhosen gekleidet. Das Haar hatte sie unter einen Kopftuchturban gesteckt; ihre Ärmel waren aufgerollt, die Hände schmutzig. Trotzdem spürte ich wieder, selbst über meine Wut hinweg, wie mein Blut, meine Nerven, alles in mir, auf diabolische Weise zu ihr hingezogen wurde.
Doch ihre Miene war kalt. Sie meinte: »Ich habe dir nichts mehr zu sagen. Was es zu sagen gibt, habe ich Anne schon gesagt.«
»Ich kann dich nicht aufgeben, Caroline«, sagte ich.
Es sah aus, als wolle sie die Augen rollen. »Das musst du aber! Etwas anderes bleibt dir nicht übrig.«
»Caroline, bitte.«
Sie antwortete nicht. Ich blickte zu Betty hinüber, die verlegen dabeistand.
»Betty«, sagte ich. »Würdest du uns bitte mal kurz allein lassen?«
Doch als Betty sich entfernen wollte, sagte Caroline: »Nein, du brauchst nicht zu gehen. Dr. Faraday und ich haben einander nichts zu sagen, was du nicht auch hören könntest. Bitte pack die Kiste weiter ein.«
Das Mädchen schien einen Moment lang hin- und hergerissen, dann senkte sie den Kopf und wandte sich halb von uns ab. Ich blieb in schweigender Verzweiflung stehen, dann sprach ich mit leiser Stimme: »Caroline, ich flehe dich an. Bitte denk noch mal darüber nach. Es ist mir egal, wenn du glaubst, nicht genug für mich zu empfinden. Da ist doch etwas, das weiß ich genau. Tu nicht so, als ob da gar nichts wäre! Damals, beim Tanzen … oder als wir draußen auf der Terrasse standen …«
»Ich habe einen Fehler gemacht«, sagte sie müde.
»Das war kein Fehler!«
»Doch, das war es. Alles war ein Fehler, von Anfang bis Ende. Ich habe einen Fehler gemacht, und es tut mir leid.«
»Ich kann dich nicht fortgehen lassen.«
»Mein Gott! Willst du mich noch dazu bringen, dass ich dich hasse? Bitte hör auf, ständig hierherzukommen. Es ist vorbei! Alles!«
Ich packte sie am Handgelenk, plötzlich voll rasender Wut.
»Wie kannst du bloß so reden? Wie kannst du nur so handeln? Mein Gott, sieh dich
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