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Der Beutegaenger

Titel: Der Beutegaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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sie meint.«
    »Und sie war wütend?«
    »Na ja... Also auf den ersten Blick wirkte sie ärgerlich. Aber manche Menschen reagieren auch aggressiv, wenn sie .. .« Sie zögerte. »... wenn sie Angst haben.«
    »Und dieses Gefühl hatten Sie bei Frau Siemssen?«, hakte Winnie Heller nach. »Dass sie Angst hatte?«
    »Sie schien diese Blumen irgendwie als Angriff zu empfinden.«
    »Aber sie hat sich nicht näher dazu geäußert?«
    Hedi Apsner schüttelte den Kopf. »Sie hatte sich ziemlich schnell wieder im Griff und ist in ihrem Büro verschwunden. Am Nachmittag hat sie dann noch mal nachgefragt, ob wir inzwischen wüssten, woher die Blumen stammen. Und als ihr niemand diese Frage beantworten konnte, hat sie sie in die Mülltonne geworfen.«
    »Und was das Datum angeht, sind Sie ganz sicher?«
    »Vollkommen«, nickte Hedi Apsner. »An diesem Tag herrschte nämlich ein ziemliches Chaos, weil ein Kurs falsch eingetragen war und andauernd jemand kam und danach fragte.«
    »Gab es in der letzten Zeit noch andere Vorkommnisse, die auf irgendeine Weise bemerkenswert wären?«, fragte Winnie Heller auf gut Glück.
    »Nein, nichts«, entgegnete ihre Zeugin. »Nur . . . «
    »Ja?«, nickte sie aufmunternd. »Sagen Sie ruhig alles, was Ihnen einfällt. Auch wenn Sie sich nicht sicher sind, ob es etwas zu bedeuten hat.«
    Hedi Apsner lächelte sie dankbar an. »Sicher bin ich mir wirklich nicht«, sagte sie. »Frau Siemssen benimmt sich eigentlich genau wie immer, und ich hab ja auch gar nicht alles richtig verstehen können.«
    »Sie haben also zufällig etwas gehört?«, fing Winnie Heller den Ball, den ihre Zeugin ihr zugeworfen hatte, bereitwillig auf.
    »Die Tür stand offen«, entgegnete Hedi Apsner mit einem sehr unschuldigen Lächeln. »Und da habe ich zufällig gehört, dass Frau Siemssen das Studio verkaufen will.«
    Nachdem sie gegangen war, nahm Winnie Heller sich die Listen vor, auf denen Tamara Borgs persönliche Habe verzeichnet war. Sie suchte eine Weile vergebens, bis sie einen Eintrag fand, der zu den vagen Erinnerungsfetzen in ihrem Gedächtnis passte. »Bingo, ein Mitgliedsausweis für ein Fitness-Studio namens Fit for Life«, murmelte sie leise vor sich hin. »Sieht ganz so aus, als müssten wir uns mal mit dieser Chrysanthemen-Dame unterhalten.«
     
     
     
    Das Studio war in den beiden unteren Etagen eines eleganten Altbaus untergebracht und verfügte neben den verschiedenen Trainingsbereichen auch über eine Saunalandschaft, Solarien und einen eigenen Kosmetiksalon. Die Schriftzüge in den hohen Fenstern versprachen Frauen ein ungestörtes, effektives Problemzonentraining in angenehmem Ambiente. Eine Angestellte in knapper Trainingskleidung führte die beiden Kommissare in den ersten Stock, wo sie an eine Tür mit der Aufschrift BÜRO klopfte. »Frau Siemssen? Hier sind zwei Beamte von der Kriminalpolizei, die Sie sprechen möchten.« Sie wartete die Reaktion ihrer Chefin ab, dann trat sie einen Schritt zur Seite und bedeutete Verhoeven und seiner Kollegin einzutreten.
    Die Fenster des Büros gingen auf einen begrünten Innenhof hinaus, waren jedoch durch Vertikaljalousien vor unerwünschten Einblicken geschützt. Die Einrichtung war nüchtern und zweckmäßig, beinahe provisorisch, ohne eine persönliche Note zu verraten. Verhoeven wunderte sich darüber, denn die anderenBereiche des Studios, die sie zu Gesicht bekommen hatten, wirkten auf eine recht intime Weise gemütlich. Offenbar hatte man alle Anstrengungen unternommen, damit sich die Mitglieder dort wie zu Hause fühlten.
    Die Erscheinung der Frau, die bei ihrem Eintreten am Fenster gestanden hatte und sich in diesem Augenblick zu ihnen umdrehte, stand jedoch in krassem Gegensatz zu der Nüchternheit ihres Büros. Marianne Siemssen war groß und schlank, ohne übertrieben dünn zu sein. Ihr Gesicht hatte einen schwärmerischen, beinahe entrückten Ausdruck, wenngleich durchlittene Krisen deutliche Spuren darin hinterlassen hatten. In der Romantik hätte man für eine Frau wie sie Klavierstücke geschrieben, dachte Verhoeven. Klavierstücke und Gedichte, die jemand in einem schönen, dämmrigen Zimmer vorliest, während draußen der warme Sommerregen auf die Blätter der Rosen fällt ...
    »Bitte, nehmen Sie Platz«, sagte Marianne Siemssen, wobei sie die Besucher aus großen blauen Augen musterte, die bei allem Interesse etwas abwesend wirkten. Das lange naturblonde Haar trug sie zu einem schlichten Knoten hochgesteckt. Verhoeven schätzte, dass

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