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Der Beutegaenger

Titel: Der Beutegaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Kraft. »Ratten«, stieß er schließlich mühsam hervor. »Fragen Sie sie... nach ... den Ratten!«
    Bernadette Evershagen schüttelte den Kopf. Offenbar regte er sich fürchterlich über irgendetwas auf. Vielleicht hatte er schlecht geträumt. »Ja, ja«, antwortete sie routiniert. »Ich kümmere mich darum. Schlafen Sie jetzt.«
    »Sie ... sollen nach ... ihm suchen . . .« Die Worte brachen ab. Der Körper des alten Mannes wurde von einem schweren Hustenanfall geschüttelt.
    »Bitte beruhigen Sie sich.« Sie betrachtete das müde Gesicht mit wachsender Sorge. »Sie dürfen noch nicht so viel sprechen.«
    Doch ihre Worte schienen den alten Herrn nur noch mehr aufzuregen. Seine Hand schlug auf die Bettdecke. Zornig. Eindringlich. Dann hob er in einem immensen Kraftakt den Kopf. »Er ... hieß... Raphael«, flüsterte er angestrengt und so leise, dass Bernadette Evershagen ihn kaum verstehen konnte. »Sagen Sie ihnen ... sie ... sollen nach Raphael suchen.« Die Stimme brach erneut. Mit einem tiefen Seufzer sank sein Kopf in die Kissen zurück. Alois Breidstettner hatte das Bewusstsein verloren.
    Bernadette Evershagen betrachtete die Schultern des alten Mannes. Früher musste er einmal sehr stattlich gewesensein. Am besten, sie rief den Arzt, damit er nach dem Patienten sah. Aber was hatte er da nur immer von irgendwelchen Ratten geredet? Nachdenklich kehrte sie zu ihrem Pfefferminztee zurück. Sie hatte schon viele verwirrte Patienten gesehen und bezweifelte, dass Alois Breidstettner in diese Kategorie gehörte. Wahrscheinlich hatte er doch einen Albtraum gehabt.

 
     
     
     

 
     
     
     
     
    mauve
    der Ton der Liebe
    kann nicht sanfter sein
    seidenschimmernd
    ist es etwas
    wie Vermählung
    zweier alter Freunde

Montag, 20. November 2006
    Flucht, pochte eine Stimme hinter Verhoevens Stirn, als er von einer Besprechung mit Hinnrichs auf dem Rückweg in sein Büro war. Ich möchte am liebsten davonlaufen. Vielleicht sollte ich etwas ganz anderes tun. Noch einmal ganz von vorn beginnen. Er dachte an seine Frau und daran, dass er nie etwas anderes hatte werden wollen als Polizist. Seit er denken konnte. Und jetzt? Wollte er jetzt etwas anderes? Oder hatte er einfach nur Angst?
    An der Tür zu seinem Büro blieb er einen Augenblick stehen. Eine kleine Auszeit. Ein paar Sekunden Ruhe, die er so dringend brauchte, um wieder klar denken zu können. Er hatte immer angenommen, dass er genügend Abwehrmechanismen besäße. Dass er das aushielte, seinen Job. Er war kein Idealist, aber er hielt seinen Job aus, auch, weil er etwas beitragen wollte. Weil er hoffte, hier und da etwas wieder geraderücken oder doch wenigstens etwas noch Schlimmeres verhindern zu können. Aber jetzt? Wenn wir das hier nicht in den Griff kriegen, dachte er, hat unsere Arbeit keinen Sinn. Das war vielleicht das Schlimmste.
    Er seufzte und stieß die Tür auf. »Was waren denn das eigentlich für Gedichte, die den Täter angeblich inspirieren?«
    Hinter Grovius’ Schreibtisch hob Winnie Heller den Kopf. »Keine Ahnung. Ich ...«
    »Sagen Sie«, fiel Verhoeven ihr mit unnötiger Schärfe ins Wort, »haben Sie irgendein Problem mit meiner Autorität? Ich hatte Ihnen eine klare Anweisung gegeben und . ..«
    Winnie Heller stand auf und reckte das pfirsichzarte Kinn vor. Ihm entgegen. » Ich bin ganz bestimmt nicht diejenige,die hier ein Problem mit Autoritäten hat«, sagte sie ruhig, aber ihre Wangen waren von einer Sekunde zur anderen flammend rot geworden. »Genau genommen habe ich überhaupt keine Probleme. Außer vielleicht, dass ich am falschen Schreibtisch sitze und selten oder nie mit Taschentüchern dienen kann. Aber ich denke, das ist wohl zu vernachlässigen, wenn man zugrunde legt, dass ich mit einem Kerl zusammenarbeiten muss, der sich ohne Beistand von oben nicht mal zu pinkeln traut.«
    Sie wusste genau, was sie da sagte, das konnte Verhoeven deutlich sehen. Und auch, dass sein unvermuteter Angriff sie bis aufs Blut gereizt hatte.
    »Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen«, fuhr sie atemlos vor Wut fort. »Ich habe seit Freitag wieder und wieder versucht, diesen Herrn Breidstettner zu erreichen. Nur leider nimmt er nicht ab. Vielleicht ist er übers Wochenende weggefahren.« Sie schluckte. Irgendwo in ihrer Kehle schien auf einmal ein Reibeisen zu sitzen. »Und falls es Sie interessiert: Ich habe auch in der Telefonzentrale nachgefragt, in der Hoffnung, dass sie dort mehr wissen, aber der Kollege, der den Anruf entgegengenommen hat,

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