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Der Beutegaenger

Titel: Der Beutegaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Macht, und die wenigen Frauen, die das Wunder vollbracht hatten, in diesen hochheiligen Club aufgenommen zu werden, gingen entweder als Mann durch oder schliefen mit einem der Leitwölfe. Strukturen wie in amerikanischen Eliteverbindungen. Sie starrte nachdenklich auf Hermann-Joseph Lübkes tadellos saubere Schuhe hinunter. Dieser Fall ließ ihr kaum Zeit zum Luftholen, und falls sie innerhalb der nächsten halben Stunde hier rauskam, musste sie unbedingt noch nach Elli sehen. Sehen, dass alles in Ordnung war, dass die Ernährung fortgeführt wurde, dass keine Verlegung stattgefunden hatte. Zwar hatte sie den Arzt gebeten, sie umgehend zu verständigen, falls eine Veränderung eintrat, aber sie traute ihm nicht. Nicht ihm, nicht Dr. Zilcher und erst recht nicht ihren Eltern. »Ich habe schon eine andere Verabredung«, sagte sie, indem sie den Blick von Lübkes Schuhen losriss.
    »Schade«, entgegnete dieser. »Aber vielleicht haben Sie jahinterher noch Zeit.« Er zwinkerte ihr zu. »Wird ohnehin meistens spät, wenn wir mit den Jungs zusammensitzen.«
    Mit den Jungs. Mit den angesagten Bullen. Streckte er ihr da gerade eine Eintrittskarte für diesen Eliteclub entgegen? Ihre Augen tasteten sich von seinem Gesicht abwärts. Er war fett. Na ja, dick. Korpulent. Schultern wie ein in die Jahre gekommener Catcher. Wie alt mochte er sein? Fünfzig? Fünfundfünzig? Sie seufzte. Pass bloß auf, Winnie Heller, das könnte übel enden! Solche Sachen gehen leicht nach hinten los. Wenn du ihn zurückweist, wird er in Zukunft immer gerade dann einen dringenden Fall haben, wenn du händeringend auf ein Ergebnis wartest. Proben werden liegen bleiben, Berichte verspätet geschrieben. Dieser Typ kann dir eine ganze Menge Ärger machen. »Ich sehe mal, wie ich fertig werde«, sagte sie.
    »Okay.« Er nickte. »Also dann . ..«
    »Tj a . . .« Sie lächelte, bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte.
     
     
     
    Gedankenverloren betrachtete Verhoeven das Blatt Papier auf seinen Knien, während er mit der freien Hand zum wiederholten Mal in die Chipstüte griff, die neben ihm auf dem Sofa stand. Dominik bekommt davon rote Flecken und stirbt , mahnte seine Tochter in seinem Kopf. Weil da etwas drin ist, von dem man immer noch mehr essen muss. Nina hatte bereits geschlafen, als er nach Hause gekommen war. Wie so oft in der letzten Zeit. Und er hatte das Gefühl, etwas Entscheidendes zu versäumen. Du musst mehr Verantwortung übernehmen , beklagte sich eine imaginäre Silvie. Nur so wirst du deine Ängste los. Er schob die halb leere Chipstüte einStück von sich weg. Okay, das tat er. Er übernahm Verantwortung. Traf Entscheidungen. Traf falsche Entscheidungen. Benahm sich wie ein Idiot. Und hatte trotzdem noch Angst. Genau genommen wurde seine Angst mit jedem Tag größer. Sie können nicht bis an Ihr Lebensende hinter einem breiten Rücken in Deckung gehen , höhnte sein Vorgesetzter.
    Er sah wieder das Blatt mit den Gedichten an und überlegte, was Grovius davon gehalten hätte. Insgeheim war er sich sicher, dass ein Fall wie dieser seinem Mentor niemals untergekommen war, und er hätte gern gewusst, ob Grovius der Sache Herr geworden wäre. Ihr Gott war ein selbstgefälliges Arschloch, das sämtliche Regeln, die in diesem Scheißpräsidium herrschen, nach seinem Gusto ausgelegt und dabei mehr als einmal Fünfe gerade sein lassen hat ... Eilig schob er den Gedanken beiseite. Vier Gedichte, resümierte er. Vier Bilder von Vergänglichkeit und Tod. Aber wer hatte diese Gedichte geschrieben? Der Mörder, den sie suchten? Oder jemand ganz anderer, jemand, für den der Mörder sich vielleicht begeisterte? Inspirieren diese Gedichte den Täter?, hatte der Beamte, der den Hinweis entgegengenommen hatte, auf seinen gelben Notizzettel geschrieben. Hätte Alois Breidstettner diese Frage beantworten können? Wusste er, wer diese Gedichte geschrieben hatte? Er war Lehrer gewesen, früher. Spielte diese Tatsache eine Rolle? Und an wen waren die Gedichte adressiert?
    Verhoevens Blicke wanderten ziellos im Zimmer umher und blieben einmal mehr an dem Stillleben hängen, dem Geschenk seiner Schwiegereltern. Pfingstrosen und tote Fische. Irgendwann, das schwor er sich, würde er das Ding auf den Sperrmüll werfen. Selbst wenn Silvie sich daraufhin scheiden ließ.
    Er sah zur Terrassentür hinüber und bedauerte, dass um diese Jahreszeit nicht viel im Garten zu tun war. Er konnte einfachbesser denken, wenn er die duftende Erde unter seinen Händen

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