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Der Beutegaenger

Titel: Der Beutegaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Bäumen wie ein warmer, dunkler Akkord. Ges-Dur, dachte Verhoeven, ganz eindeutig. Er blickte sich nach Winnie Heller um, die in eine Wasserlache getreten war und leise vor sich hin fluchte. Die Herbstkühle verlieh ihren Wangen einen Hauch von Frische, sodass sie nun wesentlich gesünder aussah als vorhin im Präsidium. Eigenartigerweise fiel ihm bei diesem Anblick wieder der nackte Gummiring ein, mit dem sie ihr Haar gebändigt hatte, und er dachte daran, dass Silvie stets dicke, samtbezogene Gummis verwendete, wenn sie sich – was selten vorkam – die Haare zurückband. Eine Frau, die nicht besonders rücksichtsvoll mit sich selbst umgeht, dachte er. Noch dazu eine, die klassische Musik hasst. Bredeneys Musikgeschmack beschränkt sich auf Schlager und Militärmusik, spöttelte eine Stimme in seinem Kopf . Wäre dir das tatsächlich lieber gewesen? Immer dieselben alten Witze? Ewig die gleichen Anekdoten? Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht, dachte Verhoeven und lächelte, als seine neue Kollegin kurz hochsah. Winnie Heller, sechsundzwanzig, ledig und bis dato beim K34. Neue Ansätze, ein anderer Blickwinkel. Ein bisschen frischer Wind abseits der erstarrten Routine.
    »Die Stelle ist vom Weg aus nicht zu sehen«, erläuterte die Beamtin, während sie sich einen Pfad durch das niedrige Gestrüpp bahnten. »Wenn der Hund sie nicht aufgestöbert hätte, wäre sie womöglich nicht so rasch gefunden worden. Andererseits hat er sich auch keine große Mühe gegeben, sie zu verstecken. Eher im Gegenteil.«
    Verhoeven überlegte, ob die Kollegin von der Streife nur unbewusst davon ausging, dass der Täter ein Mann war, oder ob der Zustand der Leiche keinen anderen Schluss zuließ. Er blickte sich um. Zu beiden Seiten des Wegs stieg das Gelände leicht an. Vor einem weiteren Absperrband, das den engeren Umkreis des Fundorts markierte, stand Lübke und gab einem jungen Mitarbeiter der Spurensicherung Anweisungen, die er mit großen, fahrig anmutenden Gesten untermalte.
    »Wie sieht’s aus?«, erkundigte sich Verhoeven. »Ist was Brauchbares dabei?«
    Lübke ließ seinen Mitarbeiter stehen und kam mit ausladenden Schritten auf die beiden Kommissare zu, wobei er sich hastig die Kapuze seines weißen Schutzoveralls vom Kopf streifte. »Wie man’s nimmt«, entgegnete er, indem er Winnie Heller eingehend musterte. Sie kannte ihn vom Sehen, hatte aber bislang noch nicht näher mit ihm zu tun gehabt. »Unsere beiden Helden da drüben«, er deutete Richtung Streifenwagen, »sind hier eingefallen wie Dschingis Khan. Das Ergebnis siehst du vor dir.« Seine Blicke ließen von Winnie Hellers Gesicht ab und wanderten missbilligend über den Waldboden. Die Erde war an mehreren Stellen aufgebrochen. Wo das Laub fehlte, schimmerte schwarzer Mutterboden hervor. »Zu allem Überfluss haben wir es auch noch mit einem Hund zu tun, der sich ganz offensichtlich für einen Maulwurf hält.« Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Wird ’ne ganze Weile dauern, das auseinanderzudividieren. Aber du weißt ja: Der Mensch wächst an seinen Aufgaben.«
    Verhoeven überlegte, ob sich diese letzte Bemerkung auch auf ihn bezogen hatte. Irgendeine merkwürdige Form von Ermutigung vielleicht. Oder gar Spott? Er suchte in Lübkes stets etwas verquollen wirkendem Gesicht nach etwas, das man als Hinweis auf dessen Intention hätte deuten können, doch er wurde nicht fündig.
    »Zum Glück sieht eure Leiche scheußlich genug aus, dass die Herren davon abgesehen haben, sie auch noch anzufassen«, bemerkte Lübke mit sarkastischem Grinsen.
    Verhoeven lächelte matt. »Seid ihr mit dem Tatort schon fertig?«
    Er nickte. »Bedient euch. Aber es ist nicht der Tatort.«
    Verhoeven sah ihn fragend an, doch Lübke winkte sofort ab. »Alles, was wir bislang wissen, ist, dass sie da, wo sie jetzt liegt, nicht gestorben ist«, entgegnete er, und als Verhoeven sich zum Gehen wandte, fügte er mit Verschwörermiene hinzu: »War ’ne ziemlich lange Nacht gestern, was?«
    Verhoeven nickte nur. In seinem Rücken konnte er Winnie Hellers interessierten Blick spüren. Offenbar passte das, was sie hier gerade aufschnappte, nicht zu dem Bild, das sie sich von ihm gemacht hatte. Genau genommen passte es nicht einmal zu dem Bild, das er von sich selbst hatte.
    »Ich sage dir, der alte Grovius hätte einen Mordsspaß an uns gehabt«, fuhr Lübke derweil unbekümmert fort. »Besonders an Ulla. Donnerwetter, kann dieses Weib was vertragen!« Er schüttelte anerkennend den

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