Der Beutegaenger
vorbereitet. »Sie kümmerte sich gemeinsam mit zwei Kolleginnen um alle anfallenden Verwaltungsaufgaben, An- und Abmeldungen, Personaldisposition und ähnliche Dinge. Daneben haben wir eine Buchhalterin, die die Kostenrechnungen erstellt und die Abrechnungen mit den Kassen macht.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Sie war nie krank oder unpünktlich und erledigte ihre Arbeit sehr zuverlässig.«
Verhoeven legte seinen Notizblock beiseite und dachte an Gernot Leistner. Er hatte auf einmal das Gefühl, zu rücksichtsvoll gewesen zu sein. Zu passiv. Er hatte keinen Druck erzeugt, unter dem vielleicht etwas ans Licht gekommen wäre, das Susanne Leistners Witwer lieber für sich behalten hätte. Er sah kurz zu Winnie Heller hinüber und überlegte, ob sie ähnlich dachte. Ob sie sein Verhalten analysierte. Ihm insgeheim vielleicht gar ein Zeugnis ausstellte. Von heute an ist es ein Wettbewerb, dachte er wieder. Ich muss auf der Hut sein. »Was wissen Sie über Frau Leistners Privatleben?«, wandte er sich wieder an Gundula Erkelenz.
»So gut wie gar nichts«, antwortete die Verwaltungsdirektorin des Altenheims. »Sie war verheiratet und hat eine kleine Tochter.«
»War die Ehe glücklich?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung«, entgegnete Gundula Erkelenz. »Zumindest habe ich nie etwas Gegenteiliges gehört. Aber über diese Dinge können Ihnen die Kolleginnen, die jeden Tag mit Frau Leistner zu tun hatten, sicher mehr erzählen.«
Verhoeven nickte. »Wissen Sie, ob es irgendwann einmal jemanden gab, der Frau Leistner nachgestellt hat?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nicht, dass ich wüsste.«
»Und es ist Ihnen auch in den letzten Tagen oder Wochen in der Umgebung des Heims keine Person aufgefallen, die das Gebäude oder den Parkplatz beobachtet hat?«
Gundula Erkelenz sah bestürzt aus. »Gehen Sie denn davon aus, dass der Mord an Frau Leistner geplant war?« Sie blickte zwischen den beiden Kommissaren hin und her. »Dass sie dem Täter nicht nur zufällig in die Hände gefallen ist?«
»Es deutet einiges darauf hin«, antwortete Verhoeven ausweichend.
Die Verwaltungsdirektorin überlegte eine Weile. Dannschüttelte sie den Kopf. »Nein«, sagte sie. »Ich habe nichts Derartiges bemerkt. Allerdings muss das nicht viel heißen. Ich habe eine Wohnung hier im Haus und verlasse das Gebäude tagsüber nur selten. Und mein Wagen steht auch nicht auf dem Parkplatz, wo die Angestellten und Besucher parken, sondern in der Tiefgarage.«
Verhoeven nickte. Das Gebäude war weitläufig. Fremde fielen hier nicht sonderlich auf. Es würde schwierig werden. »Noch etwas anderes«, wandte er sich wieder der Verwaltungsdirektorin zu. »Wissen Sie, ob jemand Frau Leistner in der letzten Zeit Blumen geschenkt hat?«
Winnie Heller, die neben ihm saß, hob den Kopf.
»Auch dazu kann ich Ihnen leider nichts sagen«, sagte Gundula Erkelenz mit einem Achselzucken, das ratlos wirkte. »Viele unserer Bewohner bekommen regelmäßig Blumen von ihren Verwandten. Und manche von ihnen verschenken diese Blumen weiter. An das Pflegepersonal zum Beispiel. Meinen Sie das?«
Verhoeven schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube, so etwas habe ich nicht gemeint.«
Winnie Heller musterte einen Stapel Bücher, der auf dem Schreibtisch der Verwaltungsdirektorin lag. »Wahrscheinlich ist es das Beste, wenn wir erst einmal mit Frau Leistners Kolleginnen sprechen«, sagte sie. Es klang wie eine Frage.
»Ina Willke, eine der beiden Halbtagskräfte, ist seit dieser Woche im Urlaub«, entgegnete Gundula Erkelenz routiniert. »Ich kann Ihnen ihre Privatadresse aufschreiben, aber soweit ich weiß, wollte sie mit ihrer Familie nach Teneriffa. Laut Dienstplan ist sie am fünfundzwanzigsten wieder im Büro. Und Frau Hettcamp, die andere Kollegin, ist wahrscheinlich schon nach Hause gegangen. Mittwochs macht die Verwaltung um dreizehn Uhr dreißig Feierabend.« Sie machte ein unglückliches Gesicht. »Wenn ich gewusst hätte, dass Sienoch heute vorbeikommen, hätte ich sie selbstverständlich gebeten, länger zu bleiben.«
»Das macht nichts«, sagte Verhoeven. »Wenn Sie uns nur bitte die Adresse und Telefonnummer aufschreiben würden.«
»Natürlich«, nickte die Verwaltungsdirektorin. »Ich suche sie Ihnen gleich heraus.« Sie zögerte. »Aber Frau Gerling, die Buchhalterin, ist ganz sicher noch im Haus. Sie ist ... Na ja, sie bleibt oft etwas länger.«
Und ganz offensichtlich weiß ihre Chefin diese Tatsache nicht besonders zu schätzen,
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