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Der Beutegaenger

Titel: Der Beutegaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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mir«, wiederholte sie, indem sie die freie Hand gegen ihre erhitzte Stirn presste. »So läuft das nicht. Denn was auch immer ihr vorhabt«, sagte sie mit einer Stimme, die blechern klang. »Ich werde es verhindern.«
    Dann drückte sie auf die Taste, die das Gespräch beendete, und schaltete ihr Handy aus.

Verhoeven schlief schlecht. Als das Telefon zu läuten begann, stöhnte Silvie neben ihm leise auf. »Wie spät ist es?«
    »Gleich eins.«
    Sie legte sich einen Arm über die Augen zum Schutz gegen das Licht, das er eingeschaltet hatte, um das Display erkennen zu können, doch es zeigte lediglich die wenig hilfreiche Information: Unbekannte Nummer . »Ist das etwa dienstlich?«
    »Ich weiß es nicht.« Ich hoffe nicht, ergänzte er im Stillen, auch wenn er sich keine andere Erklärung vorstellen konnte. »Verhoeven«, meldete er sich, nachdem er den Hörer abgenommen hatte.
    »Hendrik?« Hinter ihren Worten flimmerte ein Pegel gedämpfter Geräusche. Musik. Andere Stimmen. Das Klappern von Gläsern. Eine Gaststätte, kein Zweifel. »Bist du das, Hendrik?«
    »Ja«, entgegnete er schicksalsergeben, während Silvies Lippen die Worte Wer zur Hölle ist das? formten. »Hallo, Ulla.«
    Silvie riss die Augen auf und tippte wütend auf die Uhr neben dem Bett. Hat diese Frau jetzt völlig den Verstand verloren?
    »Dieses elende, verdammte Dreckschwein«, brach es derweil aus Ulla heraus, bevor Verhoeven Gelegenheit gehabt hätte, sie nach ihrem Befinden zu fragen. Doch das war eigentlich auch gar nicht nötig. Ihrer Stimme war deutlich anzuhören, dass sie getrunken hatte. »Er hat mich nicht in Karls Wohnung gelassen. Er sagte, ich sei eine Fremde und dass mich das alles nichts anginge.« Ihr hysterisches Lachen hallte in seinem Ohr wider. »Ausgesperrt, verstehst du?«
    Verhoeven biss sich schuldbewusst auf die Lippen, weil er es versäumt hatte, Ulla von seinem Zusammentreffen mit Holger Grovius zu berichten. Wenn ich es getan hätte, wäre sie besser vorbereitet gewesen, dachte er.
    »Dieser miese kleine Bastard«, fuhr Ulla indessen mit ungebremster Wut fort. »Dabei hat er alles zurückgeschickt, verstehst du? Jede verdammte Geburtstagskarte hat er genau in der Mitte durchgerissen, wie wenn er vorher ’n Lineal drangelegt hätte, und so hat er sie dann zurückgeschickt. Aber das Geld«, sie gab einen triumphierenden Laut von sich, »Karls Geld hat er vorher rausgenommen, das kannst du glauben. Dieser elende kleine Wichser. Bloß interessiert das hier niemanden, verstehst du? King Karl ist kaum kalt, aber schon tot und vergessen. Wusstest du eigentlich, wie schnell das geht?« Aus dem Gewirr im Hintergrund materialisierte sich eine andere bekannte Stimme. Luigi Scolari, der Inhaber der gleichnamigen Kneipe.
    »Das ist doch kein Taxiunternehmen, mit dem du da redest, oder?«, hörte Verhoeven ihn fragen.
    »Nein«, entgegnete Ulla Grovius würdevoll. »Das ist ein Freund. Nicht wahr, Hendrik? Wir sind doch noch Freunde, wir beide, oder hast du mich schon vergessen?«
    »Natürlich nicht«, antwortete er. Neben ihm gestikulierte Silvie wie wild, um ihn dazu zu bewegen, den Lautsprecher einzuschalten, doch er dachte überhaupt nicht daran. Seine Frau war auch so schon wütend genug, und wenn jetzt noch Nina aufwachte ...
    »Siehst du!«, kreischte Ulla, offenkundig wieder in Luigis Richtung. »Er sagt, er ist mein Freund. Im Gegensatz zu dir, du dreckiger . . .« Ihr schien auf die Schnelle kein adäquates Schimpfwort mehr einzufallen, nachdem sie ihren diesbezüglichen Vorrat bereits für den Sohn ihres geschiedenen Mannes aufgebraucht hatte. Stattdessen lachte sie wieder. Hysterisch. Betrunken.
    »So, nun bist du aber mal hübsch vernünftig«, hörte Verhoeven wieder Luigi Scolaris Stimme, während er fieberhaft überlegte, wie er reagieren sollte, wenn Ulla ihn bat, sie abzuholen. »Es ist weit nach Mitternacht und . ..«
    »Ich bin vernünftig«, protestierte Ulla. »Ich bin viel zu vernünftig. Bin ich immer gewesen. Karl sagte immer zu mir, Ulla-Kind, sagte er immer ...«
    »Hallo?«, klang Luigi Scolaris sonorer Bariton nun direkt aus dem Hörer. Offenbar hatte er beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. »Ist jemand dran?«
    »Hendrik Verhoeven«, sagte Verhoeven. »Guten Abend, Luigi.«
    »Aaaah, tut mir schrecklich leid«, rief der Kneipier, als treffe ihn eine persönliche Schuld an dieser späten Störung. »Sie sagte, sie wolle sich ein Taxi rufen, und ich habe fälschlicherweise

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