Der Bewacher - Swierczynski, D: Bewacher - Fun & Games
niemandem zusammen.
Lane musste zugeben, vielleicht hatte sie sich nur etwas angestellt, denn es war eine wirklich tolle Spazierfahrt; in der kühlen Januarluft wirkte L. A. kristallklar, scharf bis zum kleinsten Molekül. Und über alldem, sie beide.
Sie beschlossen im Valley einen Happen zu essen. In einem ruhigen, abgelegenen Restaurant. Er kannte den idealen Laden dafür. Über den Beverly Glen Drive fuhren sie runter zum Ventura Boulevard. Doch der blonde Wikingergott hatte die Orientierung verloren; er wusste, dass das Restaurant hier irgendwo war, aber vielleicht war er schon vorbeigefahren. Also bog er nach links in eine Seitenstraße, und wieder nach links in eine weitere Seitenstraße. Ich habe Hunger, sagte er, dann trat er aufs Gas. Er sah das Kind bereits zwei Sekunden, bevor es passierte — es rannte einem Baseball hinterher auf die Straße. Er stieg voll in die
Eisen. Die Bremsen quietschten. Sie schrie auf. Doch vergeblich.
Es war das Ende der Welt.
Lane sah, wie sich der weiße Ball drehte und langsam zum gegenüberliegenden Bordstein rollte.
Er fluchte.
Schaute sich um.
Fluchte erneut.
Dann legte er den Rückwärtsgang ein.
Lane schrie Was machst du da?
Er fuhr um das Kind herum und raste den Rest der Straße hinauf, obwohl überall um sie herum die Türen aufgingen.
WIR KÖNNEN NICHT WIR KÖNNEN NICHT.
Sie blickte zurück und sah seinen kleinen Körper, und schrie erneut auf, doch eine Haarnadelkurve nach rechts nahm ihnen die Sicht, und die Szene verlor sich in der Ferne.
Hardies Finger griffen nach seinem Manhattan, ohne dass er das Glas vom Tisch hob. Er sah sie an, während sie redete. Mit gedämpfter Stimme, leise und ruhig, als hätte sie diesen Monolog geprobt, nachdem die Geschichte passiert war. Doch sie spielte keine Rolle — das hier war anders. Sie verwandelte sich nicht in eine fremde Person. Dies war ihr wahres Ich, hinter der ganzen Fassade. Ihr Ich, das sich etwas von der Seele redete.
»Sie haben euch nie geschnappt«, sagte Hardie.
»Sie haben uns nie geschnappt«, sagte sie. »Dank der Unfall-Leute.«
Der blonde Wikingergott rief danach seinen Agenten an.
Dieser stauchte ihn erst mal ordentlich zusammen — das war nicht zu überhören, auch wenn Lane nur die Hälfte ihres Gesprächs mitkriegte. Doch der blonde Wikingergott wies ihn in die Schranken und machte unmissverständlich klar, was er wollte:
Box mich da verdammt noch mal raus.
Es war so, der blonde Wikingergott durfte nicht in einen Prozess wegen Totschlags verwickelt werden. Er hatte jede Menge Verpflichtungen, und die konnten nicht einfach aufgekündigt werden, denn dabei stand wahnsinnig viel Geld auf dem Spiel. Nicht mal der Tod des blonden Wikingergotts würde die Produktion seiner nächsten sechs Filme — zwei davon Sommer-Blockbuster — stoppen. Die Geldgeber würden garantiert eine Möglichkeit finden, seine verdammte Leiche zu reanimieren, um die Filme zu beenden.
Und sein Agent wusste das.
Also gab er seinem Klienten einen Rat:
Versteck dich.
Und dann rief er die Anwälte des Studios an, die die Führungsetage verständigten, und dort hielt man die Sache für so wichtig, dass man die Unfall-Leute anheuerte.
Inzwischen war der blonde Wikingergott mit ihr über die San Bernadino Mountains hinausgefahren, und man dirigierte sie zu einer Werkstatt in Chatsworth. Der Wagen musste zerstört werden; das Studio hatte bereits dafür gesorgt, dass eine Kopie davon an Lanes Adresse in Venice geliefert wurde. Die beiden wurden gesäubert und bekamen
neue Klamotten. Man schärfte ihnen ein, dass sie niemals, unter keinen Umständen irgendjemandem von der Sache erzählen durften. Denn es war nicht passiert. Man würde alles löschen.
Die Unfall-Leute fragten den blonden Wikingergott nach seiner genauen Fahrtroute. Dann wurde ein dritter Wagen beschafft — dieselbe Marke, dasselbe Modell, dieselbe Farbe. Und man engagierte zwei Schauspieler. Die in Sherman Oaks rücksichtslos durch die Gegend bretterten und dann wieder verschwanden.
Um sieben Uhr abends gingen Lane und der blonde Wikingergott im Standard Hotel was trinken, nachdem sie dort mit seinem Wagen vorgefahren waren (man hatte ihn aus Santa Monica hergeschafft). Blitzlichter zuckten; die Musik wummerte. Freunde waren da. Sie wollten wissen, wie es für sie war ein, zwei Tage freizuhaben, Mensch, was habt ihr die ganze Zeit getrieben. Und die beiden erzählten ihren Freunden, was die Unfall-Leute ihnen geraten hatten: Sie
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