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Der bewaffnete Freund

Der bewaffnete Freund

Titel: Der bewaffnete Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raul Zelik
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Gegenseite auszuloten, eigene Spuren zu vertuschen.
    »Weißt du, der Typ neulich aus der Zeitung …«, setze ich umständlich an. »Auf dem Foto, das war nicht das erste Mal, dass ich ihn gesehen haben …«
    »Welchen Typ?«
    »Der den Schriftsteller aus dem Knast befreit hat. Die Geschichte, die ich dir erzählt habe.«
    Rabbee legt ein sarkastisches Lächeln auf. »Der Guantánamo-Befreier mit der unansehnlichen Brille?«
    Ich zögere. »Der Mann, der angeblich neuer Chef der Organisation ist. Er ist ein Freund von der Frau, bei der wir wohnen … er war mit ihr zusammen.«
    »Ihr Freund?«, fragt Rabbee gelassen. Er hält zwar gelegentlich Brandreden zur Verteidigung des westlichen Wertesystems, aber ist deswegen noch lange kein naiver Anhänger von Recht und Gesetz. »Niemand ist für die Blödheit seines Ex verantwortlich.«
    »Er ist nicht blöd.«
    »Dann eben identitär und ideologisch verblendet.«
    »Auch nicht identitär und verblendet.«
    Oder zumindest nicht mehr als alle anderen auch, denke ich im Stillen.
    Nur dass es bei Zubieta und seinen Leuten oft schwerwiegendere Konsequenzen hat.
    Rabbee zieht die Beine an den Körper und geht in die Hocke. Seine Knie berühren die Brustwarzen, sein Blick ist aufs Meer gerichtet. »Sollen wir ein Bier trinken gehen?«
    »Zubietas Organisation«, rede ich weiter, ohne auf Rabbees Vorschlag einzugehen, »verlangt nicht mehr, als dass die Bevölkerung selbst entscheiden kann.«
    »Die Einheimischen, die Blutsbevölkerung …«
    »Nein«, erwidere ich, »alle, auch die Sans Papiers.«
    Rabbee schweigt.
    »Spanien«, fahre ich fort »hat nie mit der Diktatur gebrochen. Der König wurde von Franco eingesetzt und auch das erst, nachdem Zubietas Organisation Carrero Blanco, den ursprünglich vorgesehenen Nachfolger, umgebracht hat. Die Verfassung wurde in der Region bei einem Referendum genauso abgelehnt wie der Eintritt in die NATO. Kein Franquist kam je ins Gefängnis, auf den Polizeiwachen wird bis heute gefoltert, und wenn es in den letzten Jahren eskalierte, hat man immer wieder damit gedroht, die Panzer aus den Kasernen zu holen. Findest du das alles normal?«
    Rabbee lehnt sich zurück und stützt sich auf die angewinkelten Ellenbogen.
    »Was würdest du tun?«, frage ich.
    »Leute umlegen?«, schlägt er vor. »Möglichst viele, möglichst wahllos?«
    Diesmal bin ich es, der einen Moment schweigt. »Sie haben seit drei Jahren niemanden mehr umgebracht.«
    »Sehr großzügig.« Rabbee fährt sich mit der Zunge über den Mund. »Ich würde wirklich lieber ein Bier trinken gehen.«
     
    Wir laufen Richtung Strandbar. Die Füße hinterlassen tiefe, dunkle Abdrücke im Sand. Unser Weg gestaltet sich umständlicher als erwartet, wir müssen Badegäste umkurven, die unter Sonnenschirmen liegen oder Beachball spielen. Von ein paar Surfern abgesehen, haben sie auffallend unsportliche Figuren, die einheimische Küche, sage ich, sie ist sehr fett, aber Rabbee achtet weder auf die Leute noch auf meine Bemerkung.
    Hinter der Strandbar erhebt sich, nur wenige Meter von den Plastiktischen und Coca-Cola-Schirmen entfernt, eine Felswand; dunkles, ausgebrochenes Gestein. Ich höre einen Vogel schreien, weit entfernt, eine Möwe, ansonsten nur das Rauschen der Brandung und dumpfes Strandgeschrei. Als wir am Tresen ankommen, fröstele ich. Wieder treibt eine Nebelbank vom Meer herein.
    Rabbee lässt sich in einen Liegestuhl fallen, ich mache es ihm nach.
    Unter meiner nassen Hose verfärbt sich der Stoff des Stuhls dunkel.
    »Ich hätte große Lust, heute Abend tanzen zu gehen«, sagt Rabbee.

VII
    Eine Hütte an der Atlantikküste Nicaraguas. Ein Mann – Krankenpfleger und einer der wenigen Weißen unter der karibischen Bevölkerung – gefriert. Nicht im wörtlichen Sinne, er verliert seine Sprache, seine Erinnerung. Stumm sitzt er im Zimmer und vegetiert vor sich hin. Eine Freundin wird aus der Hauptstadt Managua herbeigerufen, doch der Kranke erkennt sie nicht, ihm fehlen die Worte, die die Erinnerung ausmachen. Die Frau, sie heißt Maribel, hofft, dass eine Begegnung mit der Vergangenheit den Freund heilen könnte, und bricht mit ihm Richtung Ecuador auf, wo ein ehemaliger Schulfreund von ihm lebt.
    Die Reise gestaltet sich schwierig. Die zwei Freunde können nicht einfach fliegen, sie haben keine gültigen Papiere. Es sind Illegale, Flüchtlinge, die ihre Heimat schon vor vielen Jahren verlassen haben – aus Gründen, die nicht näher erläutert werden müssen,

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