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Der bewaffnete Freund

Der bewaffnete Freund

Titel: Der bewaffnete Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raul Zelik
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Er hat sein Leben aufs Spiel gesetzt und seine Zukunft preisgegeben, um einen Freund aus dem Gefängnis, »aus dem Quadratmeter Traurigkeit«, wie es im Lied heißt, zu befreien.
    Wer außerhalb der »Welt der Verblendung«, wie Rabbee sie nennt, würde so etwas schon tun? Wer brächte die Überzeugung, Sorgfalt, Verschwiegenheit und Freundschaft auf, nicht nur davon zu reden, sondern es auch wirklich zu tun?
    Es war Montserrat, die mir ermöglicht hat, Zubieta nach zehn Jahren Flucht wieder zu treffen. Ich hatte ein Forschungsstipendium bekommen, um über Landkonflikte in Brasilien zu schreiben. Bevor ich zu dem zweimonatigen Aufenthalt nach Südamerika aufbrach, besuchte ich Montserrat in X.
    Ihr Freund war wie immer auf Arbeit. Ich setzte mich im Wohnzimmer vor den niedrigen Glastisch auf den Boden und blätterte Literaturzeitschriften durch. Montse verdient sich ihren Lebensunterhalt auch heute noch als Simultandolmetscherin in einigen Kommunalparlamenten und bespricht Bücher, die in der marginalen Sprache erscheinen. Rabbee würde wohl beides als überflüssig bezeichnen, denn die Ratsherren in der Region um X sprechen auch Spanisch und brauchten keine Übersetzung, genauso wie auch die Leser der Romane, die Montse rezensiert, kastilische Fassungen verstehen.
    Die Freundin bot mir Sagardoa an – sauren, perlenden Apfelwein. Nach wenigen Schlucken spürt man ein leicht ätzendes Gefühl in der Speiseröhre.
    »Wohin fährst du in Brasilien?«, fragte sie.
    »Belém«, erwiderte ich, »eine Stadt an der Mündung des …«
    »Ich weiß«, unterbrach sie mich und blickte, an mir vorbei, zum Fenster hinaus. Sie steckte sich keine Zigarette an. Sie drehte auch keine Joints mehr. Im Grunde genommen war nichts mehr wie in jenen Jahren, als ich sie in den Schulferien immer in der Villa besucht hatte.
    »Möchtest du Corto Maltes treffen?«, fragte sie.
    Ich lächelte.
    »Den richtigen Maltés«, fügte sie hinzu.
    Ich verstand nicht sofort.
    Sie meinte den Freund, den namenlosen Freund.
    Montse hat immer betont, wie wenig einverstanden sie mit der Entscheidung Zubietas für die Gewalt war – wie es oft unpräzise heißt, so als sei der Normalzustand gewaltlos –, für den bewaffneten Kampf, wie viele in der Region um X behaupten, den Terrorismus, wie die offizielle Sprachanweisung lautet. Und deshalb war ich überzeugt, sie hätte mit Zubieta gebrochen. Aber eines der bemerkenswerten Dinge in der Region um X ist, dass viele, obwohl sie ablehnen, was ihre namenlos gewordenen Freunde und Angehörigen tun, an ihnen festhalten.
    »Du kannst ihn treffen.«
    Ich nickte.
    »Und ihm einen Gefallen tun.«
    »Einen Gefallen?«, fragte ich.
    »Einen persönlichen.«
    Sonst hätte mir Montserrat den Vorschlag wohl auch kaum unterbreitet.
     
    Drei Wochen später sah ich Zubieta, den namenlos gewordenen Freund, den Schriftstellerbefreier, am Ufer des größten Stroms der Welt sitzen und im Schatten eines Strandkiosks Kokoswasser trinken.
    Er grüßte kurz, als hätten wir uns erst am Vortag gesehen, und fragte dann wie jemand, der einem etwas beweisen will: »Was hältst du von den Romanen Houellebecqs?«
    Ich hatte keine Meinung, und er grinste spöttisch. »Ich dachte, ihr Deutschen seid eine Kulturnation.«
    »Ihr Deutschen …?«
    »Wir lesen hier in den Zeitungen, er sei der meistdiskutierte Schriftsteller Europas. Und jetzt redet ihr nicht mal über den? Über was redet ihr eigentlich?«
    Ich schloss daraus, dass er schon lange nicht mehr in Europa war.
    »Ich finde nicht schlecht, wie Houellebecq schreibt«, setzte er seinen merkwürdigen Monolog fort, »nur seinen Zynismus kann ich manchmal nicht ertragen. Man hat doch auch so was … wie soll ich sagen? … So was wie Werte. Oder?«
    »Besser ohne ethische Werte schreiben als mit Werten Unbeteiligte umbringen«, habe ich gesagt. »Gott schütze uns vor den Idealisten.«
    »Das stimmt auch wieder«, er nickte, »manchmal.«
     
    1987 hatte sich Zubieta, nachdem sein Wohnungsnachbar bei einem Anschlag spanischer Todesschwadronen ermordet worden war, zunächst nach Algerien abgesetzt, wo seine Organisation damals noch politischen Status genoss. Zwei Jahre blieb er dort, bis die in Algier aufgenommenen Gespräche mit der spanischen Regierung ergebnislos abgebrochen wurden und Madrid für die Ausweisung aller Mitglieder der Organisation sorgte. Zubieta ging nach Nicaragua, wo die Lage wenige Monate später allerdings ebenfalls schwierig wurde.
    Von da ab verloren sich seine

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