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Der bewaffnete Freund

Der bewaffnete Freund

Titel: Der bewaffnete Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raul Zelik
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nie gehört habe. Das Gefühl, allmählich außer Kontrolle zu geraten, den Verstand zu verlieren.
    Ich rufe bei Montserrat an. Seit sie vor zwei Wochen aus dem Urlaub zurückgekehrt ist, habe ich sie nur ein einziges Mal gesehen. Wir haben an diesem Abend nicht viel Zeit miteinander verbracht, ihr Freund kam bald von der Arbeit, und auch wenn die Geschichte zwischen Montserrat und mir mittlerweile zwanzig Jahre zurückliegt, empfinde ich das immer noch als ein Zeichen zu gehen.
    Ich frage die Freundin, ob sie Zeit hat, sich mit mir zu treffen.
    »Ich muss eine Rezension schreiben«, antwortet sie.
    Ich gebe mich entspannt. »Wenn schon kaum jemand Bücher in eurer Sprache liest, wer soll sich dann erst für die Rezensionen interessieren?«
    »Du verbringst zu viel Zeit mit diesem Salvatore.«
    »Nein«, sage ich. »Salvatore würde behaupten, dass es sich nicht um Literatur, sondern um das Gekritzel von Fanatikern handelt. Ich hingegen stelle nur fest, dass die Rezensionen niemand liest.«
    »Solange sie veröffentlicht werden«, antwortet Montse, »schreibe ich sie auch.«
    »Du meinst, solange die Autonomieregierung euch mit Steuergeldern subventioniert?«
    »Was willst du eigentlich von mir?«
    Ja, was will ich eigentlich von ihr?
    Ich würde gern mit ihr über Zubieta sprechen, unseren gemeinsamen Freund. Über mein Wiedersehen mit ihm, seine Rückkehr nach Europa, einen Grund für seine Fahrt. Meine Angst. Aber das kann ich nicht.
    »Wir könnten zusammen kochen. Ich bringe auch den Einkauf mit.«
    »Wenn du nicht die ganze Zeit Mist redest.«
    »Ich werde es versuchen.«
     
    Am frühen Abend sitze ich bei Montserrat in der Küche. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so durcheinander gewesen zu sein.
    Montserrat hat mir einmal von Nachbarn erzählt, einfachen Bürgern , die, um ihr Doppelleben zu ertragen, Militante, Terroristen, Bandenmitglieder , über Jahre hinweg Beruhigungsmittel schluckten. Sie schienen ein normales Leben zu führen: Arbeiten gehen, sich um die Kinder kümmern, mit Freunden zum Bier in der Kneipe treffen. Doch zwischendrin unternahmen diese Leute Fahrten, die mit einem normalen Leben nichts zu tun hatten, nicht das Geringste. Fahrten, die sie manchmal aus der Ohnmacht heraus-, manchmal schnurstracks in die Hölle hineinführten. Zwischen Frühstück und Dienstantritt die Antenne eines Fernsehsenders sprengen und mit Genugtuung die Gameshows und Talkrunden erlöschen sehen, nach dem Uni-Kurs schnell einen namenlosen Freund mit dem Wagen über die Grenze nach Frankreich bringen und sich über erfolglose Fahndungsaufrufe freuen; eine Woche Urlaub nehmen, um den 32-jährigen Gemeinderat eines Nachbardorfs vor den Augen seiner Freundin zu erschießen und jede Nacht dieses Bild vor Augen zu haben: ein Mensch, der mit zerschossenem Kopf am Boden liegt und stirbt. Die Leute, die dieses Doppelleben führen, müssen nicht nur die Konsequenzen ihres Tuns verantworten, sie können sich auch mit niemandem darüber austauschen. Nicht einmal mit ihren besten Freunden.
    Ich, sage ich mir vor, habe niemandem in den Kopf geschossen, ich habe nur einem alten Freund geholfen.
    Montserrat fragt, ob ich einen Kaffee trinken will.
    Geistesabwesend nicke ich. Mein Blick rutscht mir weg, gleitet unkontrolliert durch den Raum.
    »Mama sagt«, ruft sie aus der Küche herüber, »deine Tochter sei sehr hübsch … deine Freundin übrigens auch.«
    Ich blicke mich im Zimmer nach einem Gegenstand um, der Halt bieten könnte. Letztlich ist es immer nur eine Frage der Zeit, bis die Legenden zusammenbrechen, die konspirativen Konstruktionen. Man kann nicht ewig Doppelexistenzen führen.
    »Sie ist nicht meine Freundin«, sage ich matt. »Sie war es auch nie … Wir haben nur zusammen ein Kind.«
    Zusammen, hallt es in meinem Kopf nach, ist eigentlich nicht die richtige Bezeichnung, zusammen würde bedeuten, man teilt sich die Last.
    »So war das nicht gemeint«, sagt Montserrat.
    Mein Blick bleibt schließlich an einem Foto von Joseba Sarrionandia haften, das Montserrat über ihrem Schreibtisch hängen hat. Ein Referenzpunkt. Er hat als Jugendlicher eine illegale Literaturzeitung gegründet, ist in die Organisation eingetreten, früh verhaftet worden, hat Bücher geschrieben, ist aus dem Gefängnis geflohen, lebt seit zwanzig Jahren versteckt irgendwo auf der Welt. »Ich glaube«, sage ich, »es war keine gute Idee, mit Hanna und Katharina zu deiner Mutter zu fahren.«
    »Warum?« Montserrat setzt sich zu mir und nimmt

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