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Der Bienenfresser

Der Bienenfresser

Titel: Der Bienenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Wirklichkeit entfernt war, das wahre Gesicht aber noch erkennen ließ. Zum Schluss setzte er seinen Namen darunter.
    Nachdem das Mädchen gezahlt hatte, reichte ich dem Maler das Foto von Dora Klugmann.
    »Ich überlege gerade, ob Sie auch nach so einer Vorlage arbeiten können.«
    »Hombre, que si!«
    Er konnte und es ging sehr schnell. Gesichtsschnitt, Mund und Haare strichelte er fast aus dem Gedächtnis. Nur als es um die Augen ging, blickte er wiederholt zu dem Foto, das er an die Malunterlage geklemmt hatte. Als Letztes tupfte er das kleine Muttermal neben den rechten Nasenflügel.
    »Ya esta! Tres mil quinientos, senor«, brummelte der Maler, ohne mich anzusehen. »Three thousand five hundred.
    Dreitausendfünfhundert Peseten.«
    »Meine Frau wird sich freuen.«
    Er sah mich an, und während er sich über den Bart strich, sagte er auf Deutsch in Berliner Mundart: »Donata Ihre Frau, ach nee, det wüsste ick aba.«
    20.
    Er arbeite tagsüber auf den verschiedenen Hippiemärkten der Insel – mehr hatte ich aus dem Maler nicht herausholen können. Nichts über Dora, die er als Donata kannte, nichts weiter über ihn selbst. Weder seinen richtigen Namen, die Bilder signierte er mit ›Kapuste‹, noch wo er wohnte. Er müsse Geld verdienen, hatte er gesagt und sich einer Frau zugewandt, deren Rastalocken wie die Fangarme eines Tintenfisches vom Kopf abstanden.
    Geld verdienen, das musste ich auch.
    Dem Dicken aus dem Flugzeug hatte ich den Normalurlauber vorgetäuscht. Nun versuchte ich, mich auch so zu verhalten.
    Ich schlenderte durch die Straßen und guckte die Leute an, wie es alle taten. Nach Mitternacht betrat ich das Hotel und warf mich aufs Bett. Einschlafen konnte ich nicht. Im Zimmer war es zu heiß, draußen zu laut. Statt der empfohlenen Schäfchen zählte ich die Mopeds, die mit abgesägtem Auspuff durch die Straßen knatterten.
    Gegen Morgen, ich musste dann doch eingeschlafen sein, wurde ich durch aufgeregtes Schnattern aus dem Nebenzimmer aufgeschreckt, dem nach einer Weile das mir schon bekannte Eselsgeschrei folgte. Ich fragte mich, ob die Dame mit den großen roten Schuhen wieder mitmischte, und wenn ja, ob sie dann den aktiven oder den mehr passiven Part spielte.
    Und ich fragte mich, wo Dora Klugmann war.
    Fragen über Fragen.
    Nach dem Frühstück betrat ich das Touristenbüro nahe dem Denkmal für General Joaquin Vara de Rey, einem
    ibizenkischen Kriegshelden, der, wie ich gelesen hatte, mit nur einer Hand voll Männern Kuba, Spaniens letzte Kolonie auf amerikanischem Boden, tapfer, aber erfolglos verteidigt hatte.
    Ich fragte nach den Hippiemärkten der Insel und bekam einen Prospekt in die Hand gedrückt. Mittwochs in Es Canar, samstags in San Carlos.
    Da es Mittwoch war, fuhr ich mit einem gemieteten Motorrad in Richtung Es Canar, das gemäß meiner Inselkarte etwas nördlich von Santa Eulalia lag.
    Kaum hatte ich den Randbezirk von Ibiza-Stadt mit seinen einfallslosen Apartmenthäusern verlassen, wurde die Landschaft richtig schön. Grüne Hügel, Orangenbäume und leuchtend weiße, würfelförmige Bauernhäuser inmitten von Äckern mit roter Erde.
    Ich war so begeistert von der Landschaft und dem Licht, dass ich die Abfahrt hinter Santa Eulalia verpasste. Umdrehen wollte ich nicht und so fuhr ich weiter, durch eine Gegend mit vielen Mandelbäumen, zwei erdfarbenen Wehrtürmen und Windmühlen, die ihre Flügel hängen ließen, als hätten sie gerade eben einen Kampf gegen Don Quijote verloren. So erreichte ich San Carlos oder Sant Carles de Peralta, wie es katalanisch korrekt auf den Dorfschildern stand.
    Ich stellte die Yamaha nahe der weiß getünchten Kirche ab und betrat das Lokal gegenüber. Es war eine der üblichen Dorfschenken, die Kneipe und Kramladen und oft auch noch Poststelle waren. Jedenfalls war Anitas Bar, so der Name aus der Hippiezeit, Doras letzte bekannte Adresse gewesen.
    Die Blumenkinder waren längst verschwunden, doch das Lokal hatte sich allem Anschein nach seit damals nicht verändert. Der Garten mit einfachen Tischen und Stühlen im Schatten eines großen Baums, die alte Holztheke im Schankraum, die Wand mit den vielen Briefkästen und den angepinnten Zetteln – all das verströmte einen Hauch von Woodstock. Nostalgisch auch der Tante-Emma-Laden, wo es vom Reis bis zur Rattenfalle alles gab, was man auf dem Land braucht. Ich kaufte eine Ansichtskarte, etwas Ziegenkäse und ein Messer mit Holzgriff, das gut in der Hand lag. Die alte Dame in schwarzer

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