Der Bienenfresser
keine Gifte zu sich nimmt, ist in hohem Grade gefährdet«, sagte Kapuste und begann sich einen Joint zu bauen. Und weil er anschließend, wie er sagte, immer Heißhunger auf Süßes bekam, holte er schon mal vorsorglich Honig aus einem Staufach, stellte eine spanische Abart von Nutella daneben und bestrich damit zwei Scheiben Zwieback.
Für mich goss er Kamillentee auf.
Kapuste trug sein bekanntes Flanellhemd, darunter ein weiteres Hemd, darüber eine bunte Kette und ein schmales Stirnband aus Leder. Er bewegte sich sehr zielsicher in dem begrenzten Raum eines Wohnwagens, stieß keine Flasche um, eckte nirgendwo an.
»Luxus ist nicht mein Ding«, sagte er. »Die Menschheit hat die meiste Zeit in Höhlen gelebt.«
»Ist eine Weile her«, warf ich ein.
Vom Neandertaler machte er einen Sprung zu den
Einheimischen, die sich früher nur einmal in der Woche gewaschen hätten. »Die Kakteen hinter den Fincas waren das Klo, zum Teil sind sie es heute noch; bis in die fünfziger Jahre gab’s kein Klopapier, gesäubert haben sich die Bauern mit einem Stein. Ibizenker und Formenterenser haben die höchste Lebenserwartung von allen Spaniern.«
Sah der Maler zwischen dem hohen Alter und der naturnahen Hygiene der Einheimischen einen Zusammenhang? Oder war das einfach nur seine sprunghafte Art zu sprechen?
Er brachte den Joint in Gang, atmete stoßartig ein, hustete und bemerkte, dass Husten wichtig sei, um reichlich Sauerstoff aufzunehmen und so die optimale Wirkung zu erzielen.
Süßer Duft überlagerte unsere Körpergerüche. Ich fühlte mich wie tausend Jahre Höhle ohne Dusche. Ein Mensch, der keine frische Wäsche anzieht, beginnt nun mal zu müffeln und sollte tunlichst nur mit Menschen zusammen sein, die er wirklich mag. Mochte ich Kapuste? Ich war mir da noch nicht so sicher.
»Warum bin ich in diesem Wohnwagen?«
»Weil Sie im Garten unseres Gastgebers Gespenster gesehen haben, einen einohrigen Rocker.«
Jetzt erinnerte ich mich wieder.
Ich war hinaus auf den Parkplatz gegangen. Mondlicht hatte auf den Chromteilen der Geländewagen und Limousinen geglänzt und die Luft war wie Samt gewesen. Doch dann hatte ich etwas abseits in den Oleanderbüschen drei Harleys entdeckt. Beim Anblick der Motorräder hatte mich die Angst angesprungen. Ich war zurück ins Haus gegangen und hatte Kapuste gebeten, mir zu helfen. Er brachte seinen kleinen Lieferwagen mit dem Heck nahe ans Haus, ich kletterte hinein und er legte seine Staffelei und eine Decke über mich und fuhr los.
So war ich hier gelandet.
Ich blickte aus dem Fenster. Der Wohnwagen stand in einem Wald. Zwischen dem Piniengrün konnte ich wie eine Schmucktapete die blaue Fläche des Mittelmeers erkennen. Ein paar Kilometer weiter draußen erhob sich eine flache Insel mit einem Leuchtturm aus dem Wasser.
»Die Insel Tagomago«, sagte Kapuste. »Unbewohnt, ein Naturschutzgebiet. Ein deutscher Investor wollte dort vor einiger Zeit ein Feriendorf bauen, was ganz Exklusives, die Reichen sollten dort völlig ungestört unter sich sein. Eine Bürgerinitiative konnte das Projekt verhindern. Alles war schon geplant.«
»Tatsächlich?«
Ich öffnete die Wohnwagentür. Grelles Licht schlug mir entgegen, die Sonne stand schon recht hoch; ihre Strahlen lagen auf Bäumen, halbhohen Sträuchern und einer baufälligen Hütte aus Quadersteinen, die wie der Wohnwagen von blauen Blüten überwuchert war.
Kapuste kam mir nach.
Wir gingen zwischen Pinien über einen schmalen Weg, der stets bergauf führte, bis der Wald dann zurücktrat und einen herrlichen Ausblick freigab, nach Osten auf die zerklüftete Küste, nach Westen auf Ackerland, dem man ansah, dass es schon seit vielen Jahren brachlag.
»Die Mandelernte lohnt sich nicht mehr, auch die Oliven lassen die Bauern häufig am Baum. Geschäfte werden in dieser Gegend dennoch gemacht.« Er deutete auf weiße Flecken, die sich vom Grün der Pinien und dem Blau einer tief ins Land greifenden Bucht abhoben. »Die Ferienhäuser dort, die Jachten im Hintergrund, wissen Sie, wem die gehören? Firmen aus Deutschland. Und wissen Sie, wer dort Urlaub macht?«
»Ein verwegener Tipp: die Firmenangehörigen.«
»Ironisch kann doch jeder sein«, wies er mich zurecht. »Ja, Firmenangehörige aus den obersten Etagen, aber auch hochrangige Politiker. Eine Sauerei!«
»Dafür gibt es ein anderes Wort: Landschaftspflege.«
»Hört sich an wie Naturschutz, bewirkt hier aber ziemlich genau das Gegenteil.« Kapuste bog einen Zweig zur
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