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Der Bienenfresser

Der Bienenfresser

Titel: Der Bienenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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bunten Farben bildeten wunderschöne Muster, die sich jedoch, ähnlich wie die Linien auf Kapustes Zeichnungen, plötzlich verformten und lebendig wurden. Die Eidechse aus Mosaiksteinen begann sich zu bewegen, sie schlängelte auf den Vogel nahe dem Ellbogen des Malers zu.
    Dann wieder Stillstand. Ich durfte nicht zu lange hinschauen.
    Gut drauf, hatte Kapuste gesagt. Der Grund war mir inzwischen klar geworden. Die Kekse! Hatte ich nur ein halbes Haschischplätzchen gegessen? Oder doch mehr? Ich konnte mich nicht erinnern und ich hörte immer wieder wie bei einer kaputten Schallplatte: halbes, ganzes, mehr? Um mich abzulenken, fragte ich Kapuste nach Dora, die sich jetzt Astarte nannte.
    »Dora, Donata, Astarte«, sagte Kapuste, »sie hat viele Namen, sie ist die Frau, die wir alle suchen.«
    Das war mir zu versponnen. Ich musste mich mit etwas Handfestem beschäftigen. Ich wies auf die Karikatur und bat Kapuste, mir eine Widmung zu schreiben, am besten in Großbuchstaben.
    Er sah mich durchdringend an, mit wasserhellen, schlauen Schweineaugen. »Auf diese Weise wollen Sie doch nur herausfinden, ob ich den Brief ins Schlüsselfach Ihres Hotels gelegt habe. Zugegeben, ich habe Sie auf die Spur gebracht.
    Schlimm?«
    »Nein, aber warum so geheimnisvoll mit dem Zeitungsartikel und der Einladung zum Club Tank?«
    »Das war ich Ihrer Intelligenz schuldig.« Er schmunzelte, was man bei seinem bärtigen Gesicht nur an den listigen Augen erkennen konnte. »Ich dachte, siehe an, da ist jemand, der Donata sucht – und ich wollte, dass Sie Donata finden.
    Also, wo ist sie?«
    »In den Klauen einer Sekte in San Juan.«
    »Und werden Sie Donata da rausholen?«
    »Warum sollte ich?«
    »Weil sie dort sonst vor die Hunde geht.«
    Während wir sprachen, zeichnete er eine Landschaft aufs Papier; ohne aufzublicken, sprach er: »Ich hatte keine Ahnung, wo sich Donata aufhielt, ich kannte nur ihre Verbindung zu Kristine und wusste, dass die beiden bei der privaten Charterlinie Flamingo beschäftigt gewesen waren.«
    Sollte ich ihm von der falschen Spur zur Finca in San Mateo erzählen? Ich ließ es. Stattdessen fragte ich ihn, warum er sich nicht um das Mädchen kümmerte, warum er selbst denn nicht versuchte, sie dort herauszuholen.
    »Weil keiner, der weiterhin hier auf Ibiza leben will, das tun würde; weil nur einer von draußen, jemand, der anschließend mit ihr die Insel verlässt, das tun kann.« Kapuste legte den Zeichenstift zur Seite. »Sie müssen sich Ibiza wie ein Dorf vorstellen, wie ein Dorf begrenzt von Wasser. In einem Eifeldorf könnte auch kein Dorfbewohner gegen die Leute anstinken, die dort das Sagen haben.«
    »Und wenn er’s täte, was dann?«
    »Mir hat mal eines Tages auf Formentera jemand an die Schulter getippt und zugeflüstert, ich solle das Frühboot am anderen Morgen nehmen. Das war die alte Methode aus der Franco-Zeit oder, wenn Sie so wollen«, Kapuste lachte sarkastisch auf, »wenn Sie so wollen, aus jener glorreichen Hippiezeit, auf die heute alle auf Ibiza und Formentera so verdammt stolz sind. Nur die wenigsten wollen sich an die Reibereien zwischen den Einheimischen und den
    Blumenkindern erinnern. Nicht weniger als zweihundert Familien hatten sich auf Formentera beim Bürgermeister über die Fremden beklagt, die nackt ins Wasser sprangen, die süßes Kraut rauchten und freie Liebe praktizierten. Die Guardia Civil, so verlangten sie, sollte die ›peludos‹ – die Langhaarigen oder Felligen, wie die Hippies hier genannt wurden – von der Insel jagen. Vor allem diejenigen, die am Strand schliefen und in den Dorfläden kein Geld ausgaben.«
    »Diese Unerwünschten, wurden die denn ausgewiesen?«
    »Ausweisen… Das hört sich so förmlich an. Ach, viel zu viel Schreibkram für einen Zivilgardisten. Stattdessen hat der zu so einem Unerwünschten, wie ich es beispielsweise war, nur gesagt: ›Hombre, manana, el primero barco‹ – ›Morgen das erste Boot‹. So lief das damals.«
    »Und heute?«
    »Gut, die Zeiten sind vorbei, heute hat man auch als Ausländer Rechte, deshalb wäre der Hinweis auf die Abfahrtszeiten der Schiffe auch nur eine erste, sagen wir symbolische Warnung.«
    »Und danach?«
    »Jetzt läuft es hier so wie überall. Vielleicht würden meine Bilder, Farben und Pinsel in einer Zisterne landen, vielleicht würde etwas anderes passieren.«
    »Schöne Insel der Freiheit und Toleranz.«
    Kapuste nickte und fuhr mit der Arbeit an der Zeichnung fort.
    »Ibiza ist weltoffen und

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