Der Bienenfresser
hören.
»Dann kannst du mir ja auch vielleicht sagen, wie sich die Journalisten verhalten haben, die mit den Genossen in der Maschine saßen und von der Sache zumindest am Rande etwas mitbekommen haben müssen.«
Verena sah mich mitleidig an, wie man ein Kind ansieht, das eine allzu dumme Frage stellt. Das machte mir gar nichts aus.
Naiv zu fragen ist immer noch die beste Methode, Leute zum Sprechen zu bringen.
»Natürlich werden auf solchen Reisen nur handverlesene Schreiber mitgenommen, die wissen, dass solch ein Enthüllungsbericht allein der Opposition nützen würde.
Außerdem: Ein Verräter könnte ab sofort Westernromane schreiben, weil die Redaktionen ihn fortan wie eine Klapperschlange meiden würden. Übrigens auch die
Redaktionen der Gegenseite – wer sich einmal illoyal verhält, wird es auch ein zweites Mal tun, lautet die Grundregel.«
Loyal musste auch ich mich verhalten, meinem Bankkonto gegenüber. Die Angelegenheit war für mich erledigt. Ich erinnerte meine Klientin an die zweite Rate meines Honorars.
»Jetzt?«, fragte sie.
»Wenn es dir nichts ausmacht.« Ich legte ihr meine Spesenliste, die auch den Leinenanzug enthielt, neben die Kaffeetasse.
Sie warf einen Blick auf die Summe, wiegte den Kopf und schrieb dann einen Scheck aus. O Wunder, sie tat es, ohne zu murren und mit schwungvoller Hand, ja so schwungvoll, dass sie das schöne Stück Papier mit Kaffee befleckte.
»Mist! Es war mein letzter. Weißt du was, Elmar, ich schick dir einen neuen mit der Post oder, noch besser, ich komme morgen oder übermorgen bei dir vorbei und lege dir das Geld auf den Tisch. Das ist am schnellsten. Bist sicher knapp bei Kasse.«
Es gibt Fragen, die verlangen keine Antwort.
Ich zahlte die Rechnung, wir gingen zum Parkplatz, wo ihr Wagen stand.
Die Hinfahrt zum Flughafen hatte ich mit der S-Bahn zurückgelegt, jetzt saß ich in einem offenen Mercedes 280 SL
aus den achtziger Jahren. Das metallicblaue Schmuckstück hatte sie damals mit in die Ehe gebracht – und am Schluss hatte sie es wieder mit hinausgenommen, genau wie ihre Klassik-Schallplatten, die Bilder Düsseldorfer Künstler und die edel gestalteten Magazine ohne Text, deren alleiniger Zweck es war, wie zufällig aufgeschlagen auf einem Glastisch zu liegen. Nach Verenas Auszug, es war ein Mittwoch gewesen, hatte ich in einer fast leeren Wohnung gestanden, ich war in den Finkenkrug gegangen, hatte dort ein Malzbier getrunken und Fußball geguckt. Als ich zurückkam, erschien mir die Wohnung immer noch ziemlich leer, aber nicht mehr auf erschreckende Weise, und so ist es bis heute geblieben. Viel Ellbogenfreiheit, viel Zeit für mich, an manchem Abend sogar zu viel Zeit, aber so ist das nun mal.
Als wir aus dem Stadtverkehr heraus waren, sagte Verena nebenbei, fast ein wenig zu nebenbei. »Viel zu tun, Elmar?«
»Nun eine Klientin wartet, dann wollte ich zwei, drei Fälle klären und noch kurz das Zechensterben stoppen – es geht noch so, Verena, warum?«
»Witzbold! Ich überlege gerade, ob man Dora nicht beim Ausstieg aus der Sekte behilflich sein sollte.«
»Aus reiner Menschlichkeit? So nach dem Motto ›Nicht wegsehen, Bürger, kümmere dich um deinen Nachbarn‹?«
»Wir sind befreundet, Elmar!«
»Ja, ich weiß. Aber muss nicht jeder selbst wissen, wo und wie er sein Leben gestaltet?«
Mit solchen Fragen verschafft man sich Ruhe.
Herausholen – das hatte schon einmal jemand von mir verlangt, vor gar nicht langer Zeit. Kapustes Ansinnen verstand ich. Der kiffende Maler war offenbar verliebt in Dora. Doch warum Verena?
Ich schlug den Kragen hoch, der Fahrtwind war recht scharf, denn inzwischen fuhren wir über die Autobahn.
»Wäre das nicht was für dich, Elmar?«, fing sie nach einer Weile wieder an.
»Was?«, fragte ich, obwohl ich wusste, was sie meinte.
»Dass du Dora aus der spirituellen Gemeinschaft
herausholst.«
»Sehe ich etwa aus wie jemand von der Bergwacht, der Verschüttete…?«
»Reg dich nicht auf, war nur so eine Idee.« Sie setzte den Blinker und nahm die Ausfahrt Wedau. »Ich dachte nur, es wäre mal was anderes, als untreuen Ehemännern
nachzuspionieren oder Angestellten aufzulauern, die mal einen Radiergummi mitgehen lassen.«
Jetzt kam diese Tour, dass ich mich den Herausforderungen des Lebens nicht stellte, dass ich mehr aus mir machen müsste.
Gab es für derartige Ratschläge mittlerweile nicht eine andere Adresse?
»Sag mal, Verenalein, dein lieber Ehemann Harro,
Abgeordneter des
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