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Der Bienenfresser

Der Bienenfresser

Titel: Der Bienenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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sein.«
    »Schrecklich lang.«
    »Bist du auf Ibiza braun geworden?«, fragte sie.
    »Ein bisschen.«
    »Überall?«
    Wir zogen uns gegenseitig aus, hektisch, als dürften wir jetzt keine Minute mehr verlieren. Ähnlich gierig und ungestüm hatte ich im Fernsehen Hausfrauen an Textilien beim Sommerschlussverkauf zerren gesehen, ein Vergleich, der mir natürlich erst später einfiel.
    Im Moment beschäftigte mich etwas anderes. Wir müssen aufpassen, hatte sie gesagt, und jetzt suchte ich die verflixten Kondome, die nie dort sind, wo man sie braucht, die man schlecht aus der Verpackung kriegt und die auch beim Überziehen Schwierigkeiten machen.
    »Deine Hände zittern«, sagte Marie, als ich aus dem Nebenzimmer wieder zurück in die Küche kam, »komm, lass mich machen.«
    Sie kniete sich, ich streichelte ihren Kopf. Plötzlich zuckte sie zusammen.
    »Was ist?«
    Marie, die wenige Minuten zuvor noch zur Zimmerdecke geblickt hatte, als erwarte sie, dass es von dort rote Rosen regne, diese Marie starrte nun auf meine Körpermitte.
    »Muss ja heiß hergegangen sein auf der Insel«, sagte sie, indem sie sich langsam aufrichtete.
    »Marie, es ist nicht das, was du denkst.«
    Wie abgegriffen dieser Satz klang, auch das wurde mir erst später bewusst.
    »Ach, nein! Was ist es denn?« Ihre Stimme klang ungewohnt scharf, ihr schöner Mund verzog sich vor Abscheu.
    »Rattenbisse. Es sind Rattenbisse.«
    »Das ist die dümmste Ausrede, die ich je gehört habe.«
    Ja, es klang lächerlich und unglaubhaft. Vielleicht wäre es klüger gewesen, etwas von einem Badeunfall an scharfkantiger Klippe zu erzählen. Klüger, aber nicht besser, denn auf keinen Fall sollte unser Verhältnis mit einer Lüge beginnen.
    »Marie, es stimmt. Zwei Typen haben mir…«
    »Hör auf. Du quälst mich.« Ihr Kinn begann zu zittern, ihre Stimme bebte. »Ich dachte, es wäre etwas Besonderes mit uns, etwas, was andere vielleicht nie erleben. Ich hatte alle Bedenken weggewischt, jede Stunde, die du weg warst, habe ich gezählt und du hattest nichts anderes zu tun, als…« Sie schluchzte wie ein Kind.
    »Marie…«
    »Lass mich!«
    Sie griff nach ihrem Rock, angelte ihr Höschen heran und zog sich an, mir den Rücken zugekehrt, als wäre ich ein Fremder, vor dem sie sich schämte.
    »Marie, das ist nicht fair, du musst mir wenigstens die Möglichkeit geben, dir das zu erklären.«
    Sie wandte mir ihr verweintes Gesicht zu. »Vielleicht ein andermal. Heute kann ich dir nicht mehr zuhören.«
    Sie ging aus dem Zimmer, ohne sich noch einmal
    umzudrehen. Ich lief ihr nach bis zur Tür, hilflos schlenkerte ich mit den Armen. Ich war so traurig und fühlte mich so schwach, dass ich nicht einmal die Kraft hatte, wütend zu werden. Als ich hörte, dass die Haustür ins Schloss fiel, legte ich meine Arme auf den Küchentisch.
    Vorbei, ehe es begonnen hatte. Wir hatten nicht einmal die Zeit für einen langen Kuss gehabt.
    Ich litt wie ein Hund.
    42.
    Es war spät geworden. Ich saß in dem dunklen Büro und das Licht von draußen warf meinen Schatten auf die Zimmerwand.
    Im Stockwerk unter mir war Ruhe eingekehrt. Viel hatte ich die Möbelpacker nicht hineinbringen sehen. Am Klingelbrett stand jetzt Czyborra N.export. Mit dem seltsam gesetzten Punkt sah es aus wie ein Name einer dieser neuen
    Internetfirmen. Viel Mobiliar brauchten diese Läden wohl nicht, einen Schreibtisch mit Computer, Telefon und Stuhl, eine Liege für den kleinen Schlaf zwischendurch und eine Dose mit bunten Pillen, um wach bleiben und Geschäfte machen zu können, während andere schliefen.
    Ähnlich wie ich manchmal, wenn ich des Nachts die Miniaturkameras installierte. Die Arbeit war vom technischen Standpunkt aus gesehen recht interessant; man musste das richtige Gerät aussuchen, den geeigneten Platz wählen und den Auslöser einstellen, der auf Schall oder Bewegung ansprach.
    Und doch stellte mich diese Arbeit nicht richtig zufrieden, sie hatte etwas Hinterhältiges.
    Ich wischte meine Bedenken beiseite und prompt kreisten meine Gedanken wieder um Marie.
    Ablenkung. Ich schaltete das Radio ein und hörte einen Song von Gordon Lightfoot. Der Sänger hoffte, dass die Liebste seine Gedanken lesen könne – oder umgekehrt, denn irgendetwas in der Beziehung sei da schief gelaufen…
    Tja.
    Dann kam die Werbung. Der Sprecher überschlug sich vor Begeisterung, weil angeblich all seine Sorgen ein Ende hatten.
    Er verkündete: »Ab sofort gibt es sie im freien Handel,

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