Der Bienenfresser
ins Schloss fiel.
44.
»Was macht der MSV?«, fragte ich Tom Becker, als er aus dem Pressehaus in der Köhnenstraße trat.
»Ach, fragen Sie lieber nach was anderem.« Er warf seinen Lederbeutel über die Schulter und mit zügigem Schritt marschierten wir in Richtung Königstraße zum Café Dobbelstein. Beckers Mittagspause war knapp bemessen.
Ich erzählte ihm von dem Artikel in der spanischen Zeitung über den Flugzwischenfall. »Da es sich um eine deutsche Chartergesellschaft handelt und die Passagiere aus unserem Land sind, müsste das doch eigentlich auch über die deutschen Presseagenturen gelaufen sein. Der Vorfall liegt ungefähr ein Jahr zurück.«
»Ich forsche mal nach.«
»Schön! Ach, noch was. Wenn ich mal was habe, ich meine, einen richtigen Knaller, sagen wir: einen Skandal, der höhere Kreise betrifft – «
»Ist nicht unbedingt mein Ressort, aber ich könnte es unterbringen. Das heißt, wenn es Fotos gibt; ohne Fotos läuft keine große Geschichte. Und natürlich muss sie hieb- und stichfest recherchiert sein.« Becker sah mich von der Seite an.
»Jemand scheint Sie nicht zu mögen.«
»Och, da gibt es einige. Jemand Bestimmtes?«
»Dieser Nörgler, Sie wissen, der lässt einfach nicht locker, hat wieder einmal angefragt, was aus dem Duisburger Polizisten geworden ist, der einen unbescholtenen Bürger erschossen hat.«
Ich musste das jetzt klären, sonst baute sich da noch eine Legende auf.
»Herr Becker, der unbescholtene Bürger hatte ein
Vorstrafenregister größer als die Speisekarte hier. Und wollen Sie wissen, wie es zu dem Vorfall gekommen ist?«
Becker warf einen Blick auf seine Uhr. »Wenn es nicht zu lange dauert.«
»Ich mache es kurz: Ein Kollege und ich observierten einen Verdächtigen, und zwar vom Gerüst eines Bürohauses aus, das renoviert wurde und gegenüber dem Hotel lag, in dem der Kerl wohnte. Und so konnten wir an jenem besagten Tag
beobachten, wie der Typ eine Frau mit Handschellen an ein Hotelbett fesselte und sich anschickte, sie mit einem Küchenrührgerät zu bearbeiten. Da war Gefahr im Verzug, da konnten wir nicht lange fragen, ob es sich um Sexspielchen in beiderseitigem Einverständnis handelte – wie es der Rechtsanwalt später darlegte. Also rüber ins Hotel, Treppe hoch, Schulter gegen die Tür. Als wir ins Hotelzimmer stürmten, zog der Kerl eine Waffe. Ich schoss, er ging zu Boden. Dass die Pistole nicht geladen war, konnte ich nicht wissen. Mein einziger Fehler war, dass ich während der langen Wartezeit auf dem zugigen Baugerüst einen Schluck aus dem Flachmann genommen hatte. Ja, vielleicht waren es auch zwei.
Und genau dafür habe ich dann ein Disziplinarverfahren an den Hals bekommen. Das war’s. Seitdem trinke ich nicht mehr, seitdem trage ich keine Waffe mehr und auch keine Uniform.«
Tom Becker nickte. Wir blickten noch eine Weile auf den Springbrunnen gegenüber der Nordsee-Filiale, wo Jugendliche mit Handy am Ohr ihren undurchsichtigen Geschäften nachgingen, eine Gruppe von Freilufttrinkern ihren Alkoholspiegel einpegelte und ein dünnes Mädchen auf der Blockflöte blies. Mit den zaghaften Sonnenstrahlen, die sich im Sprühwasser des Brunnens brachen, entbehrte das Bild nicht einer gewissen Romantik.
Tom Becker wurde unruhig.
Ich sagte: »Ihr Bildschirm wartet, gehen Sie schon mal, ich bleibe noch ein Stündchen.« Es tat gut, so dann und wann den Vorteil meiner Selbstständigkeit demonstrieren zu können.
Nach einer Viertelstunde wurde es mir langweilig. Ich ging über den Brunnenplatz, direkt auf einen Bettler zu, der in einer neuen Demutshaltung bettelte, wohl in der Annahme, dass innovative Geschäftsideen belohnt würden. Ich tauschte bei ihm einen Zehner in Münzen und gab ihm eine Mark.
Von der Telefonzelle neben den Briefkästen, die als Ablage für Bierdosen die richtige Höhe hatten, rief ich Kurt Heisterkamp an.
»Was macht der ›Taubenmord‹ von Walsum?«
Ich merkte ihm an, dass er nicht darüber sprechen wollte, wahrscheinlich war jemand in seinem Büro.
»Komm heute Abend doch mal bei uns vorbei«, sagte er.
45.
Auf eine Schusswaffe kann ein privater Ermittler zur Not verzichten, aber ohne Beziehungen kommt er nicht weiter.
Ich wählte eine Nummer im Düsseldorfer Landtag und bekam einen Mann an die Strippe, den ich aus Zeiten kannte, da ich einen Spitzengenossen während des Wahlkampfs als Leibwächter begleitet hatte. Ich fragte Roskothen, ob er mir die Passagierliste eines bestimmten Fluges besorgen
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