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Der Bienenfresser

Der Bienenfresser

Titel: Der Bienenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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schneller durch als erwartet und hatte noch gut zwanzig Minuten Zeit.
    Ich ließ den Mühlenturm rechts liegen und schlenderte am alten Zollhaus vorbei zu dem Anleger am Rhein, der hauptsächlich von Ausflüglern benutzt wurde. Ein Stück rheinaufwärts verkehrte darüber hinaus eine Autofähre, wie die in Walsum, doch Kaiserswerth, nur etwa dreißig Kilometer von Walsum entfernt, das war schon Düsseldorf und eben eine andere Welt. Es gab malerische Gassen mit Kopfsteinpflaster, Kneipen, die wie Kunstgalerien aussahen, und mehrere Speiselokale, von denen einige teuer und gut, andere aber nur teuer waren.
    Der Diener in Livree vor der Boutique Mode-Villa musterte mich misstrauisch. Dabei schaute ich nur in die Auslage, um zu prüfen, ob mir jemand gefolgt war. Der Mann in der rotgoldenen Operettenuniform wollte mich schon ansprechen, als ein silbergraues Sportcoupe vorfuhr, eine Frau in T-Shirt und Jeans ausstieg und ihm den Autoschlüssel reichte. Sie betrat den Laden und er fuhr den Wagen zu einem Parkplatz, der womöglich weiter entfernt lag als die Wohnung der Besitzerin. Ich stellte mir vor, dass die Dame in Jeans nach einer Stunde aus der Mode-Villa wieder herauskäme, wahrscheinlich mit einem neuen T-Shirt von einem Designer, um anschließend, weil sie noch nicht zurück in ihren goldenen Käfig wollte, eine Tür weiter in diese Sushi-Bar zu gehen, vor der ich gerade stand. Ich warf einen Blick auf die Speisekarte, bekam Hunger auf Möhrengemüse mit einer Frikadelle und schlenderte weiter.
    Mir blieben noch fünf Minuten. Keine Eile. Denn das kleine Eiscafé Marco, wo ich den Abgeordneten des Düsseldorfer Landtages treffen wollte, lag gleich um die Ecke in der Stiftsgasse.
    Ich schaute durch das einstige Wohnzimmerfenster, das nun als Durchreiche für den Straßenverkauf diente, sah drei Resopaltische mit niedrigen Kunstledersesselchen, in denen aber niemand saß, und bestellte: »Vanille, Schokolade und saure Sahne, Vanille zuerst, bitte.«
    »Hörnchen oder Becher?«
    »Hörnchen.«
    »Für mich das Gleiche«, sagte jemand hinter meinem Rücken.
    Ich drehte mich um und erblickte einen Mann mit fleischigem Kinn, Kugelbauch und ungesunder Gesichtsfarbe. Zu viele Stunden am Schreibtisch, zu wenige an der frischen Luft. Ganz offensichtlich kam er nicht in den Genuss dienstlich bedingter Reisen in den Süden.
    Ich hatte Roskothen ein paar Monate nicht gesehen und in der Zeit schien er mir um Jahre gealtert. »Sie sehen gut aus«,’
    sagte ich übertrieben lebhaft.
    »Sparen Sie sich die Lügen, Herr Mogge. Übrigens, den Weg hätten wir beide uns auch sparen können.«
    »Warum haben Sie mich dann nicht angerufen?«
    »Ich habe mich nicht getraut.«
    »O je, die bösen Bänder, die alle Telefongespräche nach draußen aufzeichnen? Übrigens, vielen Dank für die Flugliste.« Wir spazierten mit unseren Eishörnchen über den Stiftsplatz mit der schiefergedeckten Suitbertuskirche, scheinbar einzig und allein auf das Schlecken konzentriert.
    Doch Roskothen wirkte nervös, immer wieder blickte er sich um. Ich sah nur Leute, die die Fassaden der restaurierten mittelalterlichen Gebäude bewunderten.
    »Flugliste, von mir?«, wiederholte Roskothen. »Soll das ein Scherz sein? Es gibt keine Flugliste für den besagten Tag.«
    Da rutschte mir doch fast das Eis aus der Hand. »Aber ich habe doch solch eine Aufstellung per Fax bekommen.«
    »Nicht von mir, Herr Mogge. Nochmals, es existiert keine Liste! Und ich bin nur gekommen, um Ihnen genau das zu sagen.« Er deutete hinüber zur anderen Straßenseite. »Da vorne steht mein Wagen. Die restlichen Meter gehe ich allein.
    Keine Anrufe mehr. Und passen Sie auf sich auf, Herr Mogge!«
    Ich schaute ihm nach, wie er das Eishörnchen in einen Papierkorb stopfte und seinen Wagen aufschloss. Roskothen zögerte, sein Blick wanderte vom Auto zum Rinnstein und wieder zurück. In Filmen ist das der Moment, wo die Kiste in die Luft fliegt, das heißt sofern die Handlung in Los Angeles oder New York spielt. In Kaiserswerth tritt der Held allenfalls in einen Hundehaufen.
    Ich sah ihn fluchen und musste grinsen; ein
    Landtagsabgeordneter mit Dreck am Schuh, das hatte doch Symbolcharakter.
    Schnell wurde ich wieder ernst. Wenn nicht M. d. L.
    Roskothen, wer dann hatte mir die Flugliste geschickt?
    Diese und noch ein paar andere Fragen gingen mir so durch den Kopf, während ich im Rückspiegel einen Wagen
    beobachtete, der mir folgte. Ein grauer BMW, mal wurde er kleiner im Rückspiegel,

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