Der Bienenfresser
das Objektiv konnte gut versteckt werden und die verräterischen Geräusche der Kamera, mein Hauptproblem, spielten hier überhaupt keine Rolle. Düsenlärm lag über der Szene, die vor meinen Augen ablief, aber die Geräusche, die die Akteure machten, waren deutlich zu vernehmen. Es war das »Aah« und »Ohh« eines Politikers, der auch sonst nicht zu den brillantesten Rednern gehörte. Bei dem
»Jaah, jetzt« war das Band zu Ende.
Es sollte wohl, für die dreitausend Mark Anzahlung, nur eine Kostprobe sein.
Nachdem ich das Videogerät ausgeschaltet hatte, sprang automatisch das Fernsehprogramm an. Es war 21.45 Uhr und im WDR begann gerade die Sendung NRW am Abend.
Die Moderatorin sprach die Schlagzeile des Tages: »Tod auf der Fähre«, und ihr Kollege kündigte den ersten Beitrag an:
»Das Geschehen ist ebenso schrecklich wie geheimnisvoll.
Tatort Walsumer Autofähre. Ein Mann hinter dem Steuer seines Wagens, Kopfschuss. Brutaler Mord oder spektakuläre Selbsttötung? Die Polizei tappt im Dunkeln. Ein Bericht von Andreas Kromberg.«
Der Reporter machte den Aufsager.
Bilder von der Fähre, der Kapitän vor der Kamera: »Also, gemerkt haben wir das erst, als der Wagen nicht runterfuhr und dadurch ein anderes Fahrzeug blockierte.«
Eine Stimme aus dem Off fragte nach irgendwelchen ungewöhnlichen Umständen.
»Umstände ist gut. Also, wir legen gerade an, da rennt ein Mann wie von Furien gehetzt von Bord, zwei Männer auf einem Motorrad hinter ihm her.«
Kameraschwenk über den Fluss und die liebliche Rheinaue, Orsoy aus der Ferne. Gegenschwenk auf das Walsumer Heizkraftwerk, ferne Industrieanlagen und einen nahen Streifenwagen. Die Stimme aus dem Off richtete sich an einen Polizisten, der gleich darauf ins Reportermikrofon sprach:
»Wir stehen noch am Anfang der Untersuchung, wir verfolgen alle Spuren…«
»Auch diese Spur?«, fragte die Moderatorin vom WDR in die Kamera. »Bei dem Toten handelt es sich um Carlos Klodt, den ehemaligen Piloten einer privaten Fluggesellschaft, mit der insbesondere Geschäftsleute und Politiker reisten. Zufall? Oder steckt mehr dahinter?«
Mitten in den abschließenden Aufruf, dass sachdienliche Hinweise von jeder Polizeidienststelle entgegengenommen würden, klingelte mein Telefon.
Verena – wie üblich nannte sie nicht ihren Namen, sondern legte gleich los: »Elmar, im Fernsehen jetzt gerade, schrecklich, was ist denn passiert? Ich dachte schon, dass du womöglich… also nicht auszudenken… bis sie dann endlich den Namen Carlos Klodt erwähnten. Nun sag doch schon was, ich bin ganz fertig.«
Ich erzählte ihr, was vorgefallen war, und sie erholte sich bemerkenswert schnell von ihrem Schrecken. Von einer Minute zur anderen sah sie die Dinge nicht nur in viel freundlicherem Licht, sondern war von der neuen Lage regelrecht begeistert.
»Die Sache kommt in Schwung, Elmar!«
»Was meinst du mit Schwung?«
»Nun, das öffentliche Interesse regt sich ja immer erst dann, wenn eine Katastrophe geschehen ist. Über vierzig Zwischenfälle hatte es bereits mit der Concorde gegeben, aber erst als 113 Menschen starben, wurde die Sicherheit der Maschine gründlich untersucht.«
»Ich erinnere mich.«
»Manchmal genügt auch ein mit Rohöl verklebter
Wasservogel, um die Leute aufzurütteln. Jetzt hat es einen Toten gegeben.«
»Leicht hätte es einen zweiten geben können, mich nämlich.
Ist es das, was du mit Schwung meinst, Verena?«
»Nein, nein, natürlich nicht. Aber morgen, da wette ich drauf, gibt es ein ZDF-Spezial und kurz darauf werden einige Genossen, vor allem aber die Abgeordneten der Opposition eine Untersuchung der Vorfälle verlangen.« Jetzt klang ihre Stimme so euphorisch, als hätte sie soeben im Fernsehen die Ziehung der Lottozahlen verfolgt und den Hauptgewinn getroffen. »Und dann beginnt die Suppe zu kochen.«
»Und ich steh am heißen Herd.«
»Im gewissen Sinne ja, aber dir fehlen noch ein paar Zutaten.«
»Lass mich raten: Dora als Zeugin, Fotos als Beweismittel?«
»Du hast genau das Rezept, bist ein guter Koch, Elmar!«
»Ja, aber um die Zutaten beschaffen zu können, brauche ich Kohle.«
»Die kriegst du, kriegst du.«
Das war der Satz, den ich hören wollte.
Es war so weit.
50.
Um 16 Uhr war ich mit Roskothen verabredet. Zwar hatte sich das Treffen eigentlich erledigt, denn die Passagierliste hatte ich ja bereits als Fax erhalten, aber ein persönliches Gespräch konnte nie schaden.
Ich fuhr über die B 8 nach Kaiserswerth, kam
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