Der Bienenfresser
dann hing er mir wieder im Nacken.
Am meisten störte mich die Tatsache, dass die beiden Insassen sich nicht die geringste Mühe gaben, dies ein wenig versteckter zu tun.
Offene Observierung, na schön.
In Wanheim kreuzte ich die Schienen der Werksbahn von Rheinstahl Thyssen und bremste, ohne dass es nötig gewesen wäre, scharf ab. Der Verfolgerwagen verfehlte meine Stoßstange nur um Zentimeter. Im Rückspiegel konnte ich die Gesichter meiner Beschatter gut sehen. Mit dem Mann auf dem Beifahrersitz hatte ich es schon einmal zu tun gehabt. Ein junger, sehr eifriger LKA-Beamter, dem ich aus Übermut eine Schweinezunge zugesteckt hatte; eine Neckerei, die der Typ, der zu Gewalttätigkeiten neigte, sicher nicht vergessen hatte.
Ganz deutlich hatte er mir damals gezeigt, was er von mir hielt. Das Wort ›Kakerlak‹ war gefallen.
Und jetzt war er gezwungen, sich wieder mit Mogge der Küchenschabe zu beschäftigen.
Und das aus gutem Grund!
Elmar, sprach es in mir, stell dir vor, du bist nicht mehr so ein kleiner Privatschnüffler, der untreuen Ehemännern auflauert, der in Lagerhallen Minikameras installiert. Stell dir vor, dass du einer wirklich großen Sache auf der Spur bist, drauf und dran, einen Skandal aufzudecken, der die Republik erschüttern wird. In ein paar Wochen wirst du beim morgendlichen Tee die Zeitung aufschlagen und da steht dann, dass der Duisburger Expolizist und nunmehrige Privatdetektiv Elmar Mogge die Landesregierung ins Straucheln gebracht hat.
Und weißt du, was danach passiert? Die Großen der Zunft werden bei dir anrufen und dich um deine Mitarbeit bitten.
Elmar, wir haben da ein Problem mit den verschwundenen Parteispenden, könntest du nicht…? Schreiberlinge der großen Magazine werden fragen, was du liest und welche Anzüge du trägst. Noch was vergessen? Richtig, endlich werden langbeinige Schönheiten dein Büro stürmen, reiche Erbinnen, die ihren Vater, Industrielle, die ihre verschwundenen Kinder suchen, also Klienten, die du bislang in deinem Büro nur auf dem Fernsehbildschirm gesehen hast.
Über Hochfeld und Neuenkamp in mein Viertel, die
Landesbullen aus Düsseldorf hatten jeden Umweg mitgemacht.
Mir fiel Roskothens schuldbewusste Miene ein. Ob er mir die Verfolger auf den Hals gehetzt hatte? Ich hielt vor meiner Haustür, ging schräg über die Straße, wo die beiden Beamten ihren Wagen geparkt hatten, und sprach sie an: »Ich halte jetzt meinen Büroschlaf, mindestens eine Stunde. Hand drauf. Sie können in der Zeit was essen gehen.«
Ihre Gesichter versteinerten. Ich empfahl ihnen das Café Bienen auf der Mülheimer Straße. »Gutbürgerliche Küche, zum Beispiel Schweinebraten.«
»Jetzt geben wir Ihnen mal einen Tipp«, sagte der junge, mir bereits bekannte Schabenfeind. »Bleiben Sie in Ihrer versifften Bude, denn wir werden Sie nicht aus den Augen lassen. Und bei der geringsten Kleinigkeit, einschließlich falsches Parken, legen wir Ihnen die Hand auf die Schulter.«
51.
Nachts dauert es oft Stunden, bis ich einschlafe.
So auch letzte Nacht, zu viel war mir durch den Kopf gegangen. Fragen, die Antworten verlangten, Gesichter, die mich wütend machten, und dann war da auch ein Gesicht, das ich gern gestreichelt hätte.
Als ich überhaupt keine Ruhe fand, hatte ich mich ans Fenster gestellt und über die nassen Baumkronen in den Nachthimmel geblickt, wo die Laserfinger einer Diskothek die Wolken kitzelten. Der Nordwind lieferte die Nachtgeräusche frei Haus, von der nächsten Ecke das Grölen eines Betrunkenen, vom nahen Tierpark Wolfsgeheul, vom fernen Stahlwerk das Rumpeln der Maschinen und aus Walsum kam das Flüstern einer Frauenstimme: »Das zwischen uns war etwas ganz Besonderes, wie es nur wenige Menschen erleben, und du hast es vermurkst.«
Kaum zu glauben, aber nachts tragen Stimmen ja bekanntlich sehr weit.
Ganz anders tagsüber, da störte mich kein Verkehrslärm, da konnten unter mir, wie es jetzt anscheinend passierte, die Wände eingerissen werden. Kaum hatte ich mich für meine kleine Siesta hingelegt, vermischten sich meine Gedanken mit Traumbildern…
Ich war ein Hund. Aber nicht so ein fauler Hund, der am Ofen lag, sondern einer, der mit Eifer seiner Arbeit nachging.
Ich war ein Foxterrier und jagte Ratten in einer Arena, umgeben von Zuschauern, die mich mit Rufen anfeuerten. Ich stürzte mich auf die erste Ratte, packte sie am Genick, schüttelte sie wie einen Putzlumpen, warf sie hoch in die Luft und jagte die nächste. Es machte
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