Der Bienenfresser
Nichts Verdächtiges.
»Immer noch diese Schrottkiste, Chefe? Gebe funfehunnert, mitte Papiere und Schlüssel«, sagte er. Wortwahl und Tonfall waren genau wie an dem Tag, als ich ihn auf dem Weg zu meinem Taubenklienten zum ersten Mal getroffen hatte. Dann sprach er wieder normal: »Mir hat es Spaß gemacht. Zufrieden, Herr Mogge?«
»Ja. Wir müssen noch abrechnen, Cetin.«
»So ist es. Fahren Sie hinter mir her.«
49.
Cetin konnte auch langsam fahren. In Marxloh an der Pollmann-Kreuzung bog er von der Weseler Straße ab und ich beobachtete, dass Cetin ins Handy sprach. Wir näherten uns dem Viertel, in dem er lebte.
Cetin lenkte den Wagen durch einen Torbogen. In dem Innenhof standen Kleintransporter, die auf die große Reise nach Anatolien warteten, Kinder spielten Fangen und ältere Männer kauerten, den Rücken gegen ein rostiges Klettergerüst gelehnt, vor einem tragbaren Fernsehgerät.
Zwei Jugendliche mit Kampfhunden an der Seite
verschlossen hinter uns den Torbogen mit einer Kette. Aus der ehemaligen Arbeitersiedlung, wie ich sie aus meiner Jugendzeit kannte, war, ohne dass sich baulich viel verändert hatte, eine kleine Festung entstanden.
Die Jungen mit den Pitbulls hoben die Hand zum Gruß und verschwanden in einem Kellereingang.
Ich hielt Cetin an der Schulter fest. »Zwischen Walsum und Fahrn hatte ich das Gefühl, dass uns jemand folgt, kein Motorrad, sondern ein grauer BMW, ich bin mir aber nicht sicher, ob es derselbe war, der sich auf der anderen Rheinseite an unsere Stoßstange gehängt hatte. Täte mir Leid, wenn Sie durch mich in Schwierigkeiten gerieten.«
»Keine Sorge, Herr Mogge. Kommen Sie.«
Er ging zu dem Kellereingang, in dem die beiden
Jugendlichen verschwunden waren.
Schon im Gang hörte ich Rufe, auf Deutsch und Türkisch, die, obwohl durch die Wände gedämpft, sehr hart klangen.
Als Cetin eine Tür aufstieß, erblickte ich einen Mann, der einen Knüppel schwang und »He, du Kanake!« brüllte.
Instinktiv fuhr meine Hand zum Stiefelschaft, wo ich ein Fleischermesser mit Klettverschluss befestigt hatte, richtete mich dann aber schnell wieder auf.
Cetin hatte den Schlag unterlaufen. Jetzt machte er eine Drehung und warf den Angreifer auf den Boden. Es krachte, doch der Mann rollte sich gewandt ab, kam blitzschnell hoch, stieß die linke Hand wie eine Kralle nach vorn und schwang erneut die rechte mit dem Knüppel. Bevor er jedoch zuschlagen konnte, traf ihn Cetins Fuß am Hals. Das heißt nicht ganz; es war nur ein angedeuteter Tritt, der Millimeter vor dem Adamsapfel abgestoppt wurde.
Der Angreifer ließ den Knüppel sinken und umarmte Cetin.
»Na, alter Kanake, wen hast du mitgebracht?«
Die Zuschauer, Jugendliche zwischen sechzehn und Mitte zwanzig, klatschten Beifall.
Cetin hatte vor mir, dem Besucher, eine perfekte Schau abgeliefert.
Die Jungs erhoben sich von den Sportmatten, mit denen der Raum ausgelegt war, und begannen mit Kampfsportübungen.
Sie machten ihre Sache recht gut und sicher waren sie auch gefährlich, vor allem aber nützte es wohl ihrem
Selbstvertrauen.
Kanaken-Power stand in Sprühschrift an der Wand.
Wir tranken ein Glas Tee und noch eins, und endlich fragte Cetin mich das, was ihm wohl schon die ganze Zeit durch den Kopf gegangen war: ob ich ein Dealer sei. Ich guckte verständnislos, obwohl seine Frage ja eindeutig war, und so glaubte er, mir das erklären zu müssen: »Ein Verteiler, Mann.«
»Nee, im Gegenteil, ich bin eher jemand, der sucht und einsammelt.«
»Und was?«
»Informationen – manchmal auch Menschen.«
»Nicht schlecht! He, Mann, hört sich gut an.«
Ich gab Cetin sein Honorar und sagte, dass ich mich wieder melden würde.
»Alles klar, Herr Mogge.«
Als ich in meinen Wagen stieg, rief er mir nach: »He, Chefe, willse nix Videorekorder, isse ganz neu, gerade vonne Lastewagen gefallen.«
Er konnte es einfach nicht lassen.
Zu Hause schob ich die Kassette in meinen Videorekorder, den ich ganz normal im Media Markt gekauft hatte.
Es war eine Amateuraufnahme, aber die hatte es in sich.
Wann sonst sieht man schon mal einen Staatssekretär, der sich, mit den Hosen in den Kniekehlen, über eine Stewardess hermacht.
Ich überlegte, wie der Pilot die Aufnahme wohl zustande gebracht hatte. Bei den Kameras, die ich installierte, um Diebstähle in Firmen aufzuklären, mussten oft geringste Lichtquellen und ein winziges Loch in der Wand genügen.
Beides kein Problem in einem Flugzeug: Der Waschraum war hell erleuchtet,
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