Der Bierzauberer
ihn
aber schließlich zum Unglauben geführt. Er hatte Dinge gesagt, die bis dahin unerhört
waren, wie ›Die christliche Religion ist ebenso gut Menschenwerk wie der Glaube
der Juden oder Araber‹, ›Die Jungfrau Maria kann, da sie einen Sohn gebar, so wenig
Jungfrau gewesen sein wie meine eigene Mutter, als sie mich zur Welt brachte‹, ›Es
ist dumm zu glauben, ein Gott sei ein dreifacher Gott‹ bis hin zu ›Die Toten werden
so wenig auferstehen wie mein vorgestern krepiertes Pferd‹ oder ›Es gibt kein Weltende,
denn die Welt ist ewig, nur für den Menschen bedeutet freilich der Tod das Ende
der Welt, denn es gibt keine andere als die sichtbare‹. Damit hatte er sich viele
Feinde geschaffen.
Bonifaz
erklärte das Jahr 1300 zum Jubeljahr, in dem er allen Pilgern in Rom gegen bare
Münze Ablass versprach. Damit sollten rückwirkend die Kreuzzüge finanziert werden.
Zwei Millionen Menschen kamen seiner Aufforderung nach, sodass es ein Novum für
die Nutzung der Engelsbrücke gab: die Pilger hatten Linksverkehr einzuhalten.
Er verbündete
sich mit dem französischen König Philipp IV., genannt ›Der Schöne‹. Bald darauf
gerieten die beiden in Streit um den Zehnten und die Steuern der Kirche. Daraufhin
schrieb Bonifaz kirchliche Bullen, um Philipp zur Räson zu bringen. Philipp IV.
fälschte dreist die Bullen, brachte sie in Umlauf und hetzte so das Volk gegen den
Papst auf.
Fortan
verfolgten sich die beiden Kontrahenten mit unversöhnlichem Hass. Am siebten September
1303 wurde ein Attentat auf Bonifaz verübt, als er in seiner Sommerresidenz in Anagni
weilte. Urheber war Philipp IV., der mehrere Kardinalspaläste, die unter päpstlichem
Banner standen, erstürmen ließ. Bonifaz wollte lieber sterben als abdanken. Die
Eindringlinge konnten besiegt werden, Bonifaz ging, schwer verletzt, zurück nach
Rom und starb am elften Oktober 1303.
Sein Nachfolger
Benedikt XI. machte noch einen Versöhnungsversuch mit Frankreich, starb aber bereits
1304. Am fünften Juni 1305 wählte das Konklave in Perugia den Südfranzosen Bertrand
de Got zum neuen Papst. Das Konklave hatte über elf Monate getagt. Da sich die Zahl
der französischen und italienischen Kardinäle die Waage hielt, konnte man sich lange
nicht auf einen Kandidaten einigen. Die Krönung von Papst Clemens V. fand auf seinen
Wunsch hin am 14. November 1305 in Lyon statt. Bei der Krönung des neuen Papstes
war dessen Freund, der französische König Philipp IV., anwesend. Da ihm der Weg
nach Rom verwehrt war, hielt er abwechselnd Hof in Bordeaux, Poitiers und Toulouse.
Im März des Jahres 1309 schließlich bestimmte er Avignon zum neuen, dauerhaften
Sitz der Päpste.
Heinrich
VII., Graf von Luxemburg und Laroche, Markgraf von Arlon, war am 27. November 1308
in Frankfurt am Main von den sechs anwesenden Kurfürsten überraschend zum römisch-deutschen
König gewählt und am sechsten Januar 1309 in Aachen gekrönt worden.
Schon
bald bekam er Lust auf mehr: die Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches.
Die aber
wurde im Moment nur in Avignon ausgehändigt.
Als das Frühjahr 1309 in Köln
zu Ende ging, hatte Niklas eine sehr gute Saison hinter sich. Die Verkäufe waren
gut, das Geschäft mit der Hanse entwickelte sich prächtig. Er hatte die Keller noch
voller Bier, die Brautätigkeit war jedoch bereits eingestellt worden. In etwa drei
bis vier Wochen wären die Biervorräte erschöpft und man musste bis zum Herbst auf
neues warten.
Da kam
eines Abends eine größere Gruppe vornehmer Männer in sein Brauhaus marschiert. Sie
setzten sich und verlangten nach Bier und Speisen. Beides wurde gebracht.
Niklas
hatte ein großes Bohnenfass im Keller. Das wurde geholt und die dicken, eingelegten
Bohnen wurden zusammen mit deftigem Speck und Schweinerippen serviert.
Die Gruppe
griff beherzt zu und aß und trank, bis so manchem die Zunge locker saß.
»Lasst
uns noch einmal ordentliches Bier trinken, bei den Franzmännern gibt es nur gepanschten
Wein«, lästerte einer.
»Ach,
was waren das für Zeiten, als die Päpste in Rom saßen und dem römischen Kaiser das
Recht schuldeten«, so ein anderer.
Im Lauf
des Abends verstand Niklas, der ab und zu an den Tischen vorbeiging, dass diese
Männer die Gesandtschaft Heinrichs von Luxemburg waren, der sich anschickte, deutscher
Kaiser zu werden. Heinrich hielt sich zur dieser Zeit häufig in Böhmen und Thüringen
auf, und so waren sie auf dem Weg von Meißen nach Avignon, um einen Termin für
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