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Der Bierzauberer

Der Bierzauberer

Titel: Der Bierzauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Thömmes
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planen.
    Und wenn
Niklas’ Biervorräte nicht zur Neige gegangen wären, wäre Heinrich VII., der Graf
von Luxemburg, vielleicht niemals zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt
worden.

26
     
    Im Frühjahr 1310 nahm Niklas,
trotz des Spotts, den von Sponheimer und seine Gesandtschaft über England ausgeschüttet
hatten, das schon seit Längerem geplante England­abenteuer in Angriff und unternahm
eine Reise nach London, zusammen mit einer größeren Fuhre seines besten Biers.
    Das Bier
hatte er speziell für diesen Zweck eingebraut. Zum einen war es besonders dick und
stark, zum anderen war es äußerst bitter mit viel Hopfen darin. Damit wollte er
den englischen Ales Paroli bieten.
    Von Brügge
aus schiffte er sich Richtung England ein. Die Überfahrt war stürmisch, die raue
See machte es unmöglich, etwas zu essen, ohne es sogleich wieder dem Meeresgott
zu opfern. Zum Glück war die Strecke kurz, und ohne größere Blessuren von seiner
ersten Seefahrt liefen sie in die Themsemündung ein.
    Sich in
London zurechtzufinden, war kein Problem. Seit die Normannen im Jahre 1066 die Stadt
eingenommen hatten, war die Stadt wirtschaftlich und politisch unabhängig. Wilhelm
I. hatte nach seiner Krönung in der Westminster Abtei die besonderen Rechte Londons
garantiert. Seit 1192 wählten die Londoner ihr eigenes Stadtoberhaupt. Der König
hingegen durfte die freie Stadt nur mit einer besonderen Genehmigung betreten.
    Die politische
und wirtschaftliche Macht Londons lag überwiegend in den Händen einer Oberschicht
von Kaufleuten des Stalhofs, die fast allesamt der Hanse angehörten.
    Er wurde
aufs Herzlichste willkommen geheißen. Im Stalhof, dem Kontor der Hansekaufleute,
wurde ihm ein Quartier bereitet. Dann wurden ihm die Wirte vorgestellt, die Interesse
an seinem Bier hatten.
    In London
hatten sich die Besitzer der Gaststätten, die öffentliche Häuser waren und mit ihrem
lateinischen Ausdruck ›domus publicus‹ benannt wurden, bereits richtig organisiert.
Es gab einen Sprecher, es gab vornehme und weniger vornehme ›Landlords‹, es gab
vorlaute und ruhige und von Anfang an nüchterne und weniger nüchterne. Nach einer
ersten, langwierigen Verkostung waren aber alle Mann, Niklas wie seine Kunden, betrunken
wie die Lords. So jedenfalls drückte einer der Wirte seine Geringschätzung für den
englischen Adel aus. Sie machten Scherze und versuchten, Niklas die Eigenheiten
englischer Gewichte, Währungen und Hohlmaße näherzubringen.
    Die Hohlmaße
verstand Niklas schnell: Die Londoner tranken ihr Bier aus Lederkrügen, die sie
›Bombards‹ nannten. Ein Bombard enthielt acht Pints oder vier Quarts oder, wie Niklas
mit einem Lachen umrechnete, beinahe sechs Regensburger Köpfln. Das war eine Größe
nach seinem Geschmack!
    Und sogleich
fügte er die Bombards, Pints und Quarts seiner Sammlung der Maßeinheiten hinzu.
     
    Während Niklas London erkundete,
sahen Mosche und Salomon eines Tages eine verdächtige Gestalt in der Kleidung eines
Dominikanermönches, die sich im Brauhaus herumtrieb. Nachdem sie ihm zugerufen hatten,
was er dort treibe und wer er sei, verschwand er ohne ein Wort. Sowohl Mosche als
auch Salomon stellten fest, dass anscheinend nichts fehlte, und beide beschlossen,
den Vorfall zu vergessen. Der Mönch hatte bestimmt nur den Abort gesucht und sich
in der Tür geirrt.
    Dabei
übersahen sie die ›Teufelskräuter‹, die ihr ungebetener Gast in einer Ecke ganz
unscheinbar deponiert hatte. Die Trunkenbeeren, den wilden Rosmarin, die Trespe,
den Sumpfhorst und die Kuckuckskörner hätten sie aber auch nicht als Unglück bringend
erkannt, sogar, wenn sie die Kräuter gefunden hätten.
     
    Das Essen in London war entsetzlich.
Es fing an mit dem Brot. Das Brot wurde nach Stand aufgeteilt. Anscheinend konnten
die Engländer kein Brot so backen, dass man alles davon essen konnte. Die Arbeiter
im Stalhof bekamen den verbrannten Boden, die ansässigen Kaufleute den mehr oder
weniger matschigen Mittelteil und er sowie andere Gäste den oberen Teil. Seine Kollegen
klärten ihn gleich darüber auf, dass es in England immer wichtig war, die ›Upper
Crust‹ zu bekommen, auch im Geschäft.
    Serviert
wurde auf alten, wurmstichigen Holzbrettern, die vorher mit Speck eingerieben worden
waren. Dadurch hatte alles, was sich darauf befand, einen ranzigen Geruch. Dazu
gab es verkochtes Gemüse und verbranntes Fleisch. Niklas sehnte sich nach einer
guten Suppe, frischem Fisch oder einem schönen Stück

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