Der Bierzauberer
machte sich Niklas auf den Weg.
Es war
Frühjahr.
Er war
jetzt 22 Jahre alt.
13
Auf der Hauptstrecke schloss
er sich anfangs einer Reisegruppe an, um vor Räubern sicherer zu sein. Nach kurzer
Zeit schon wurde ihm das Tempo aber zu langsam und er entschied sich dafür, allein
zu wandern. Er hatte wenig zu befürchten, da er kaum Geld bei sich hatte und seine
Kleidung ihn als Mönch erkennen ließ.
Außerdem
war jetzt, zu Beginn des Jahres, das Wetter viel zu schlecht. Wer Zeit hatte und
Geld, auf das die Räuber aus waren, der reiste erst in ein paar Monaten.
Niklas
beschloss, einen kleinen Umweg über Augsburg zu machen. Seit ihm der durchreisende
Brauer in Weihenstephan von Bernards Umzug nach Augsburg erzählt hatte, dachte Niklas
daran, ihn zu besuchen. Nun war die Gelegenheit günstig.
Gegen
Ende des dritten Tages klopfte er an die Pforte des Dominikanerkonvents von Augsburg
und fragte nach Bernard von Dauerling, den er seit über vier Jahren nicht gesehen
hatte.
Als er
Bernard dann gegenüberstand, wunderte er sich sehr. In den vier Jahren war Bernard
ein gutes Stück über Niklas hinausgewachsen, hatte aber im Gegenzug an Fülle verloren.
Seine schon krankhafte Blässe unterstrich diese Hagerkeit, nach wie vor hatte er
schiefe Zähne. Mit einem freundlichen Lachen begrüßte er Niklas herzlich. »Willkommen
in Augsburg, mein lieber Freund und Bruder, was führt dich zu uns? Halt, warte,
wir werden uns etwas zu trinken und zu essen holen, sobald es unser Tagesplan erlaubt.
Dann kannst du mir alles erzählen.«
Während
sie durch den Konvent gingen, um für den Besucher ein Nachtlager zu beschaffen,
zeigte Bernard Niklas auch die wichtigsten Räume des Klosters. Sie plauderten ungezwungen
und Niklas machte eine Bemerkung über Bernards mangelnde Leibesfülle.
»Habt
ihr so schlechtes Bier in Augsburg oder schmeckt dir am Ende dein eigenes Brot nicht
mehr?«
Bernards
Antwort war nicht die erwartete:
»Das sollte
dich nicht kümmern. Ich habe meine Gründe, warum ich mich von den fressenden und
saufenden Brüdern fernhalte.«
Irgendwie
hatte sich Bernard verändert.
Schließlich
setzten sie sich im Hospiz zu Tisch und Bernard schien seine gute Laune wiedergefunden
zu haben.
Es wurde
Gebäck serviert in Form einer leicht verdrehten Acht. Niklas schaute überrascht,
und Bernard erklärte lachend:
»Das habe
ich mir ausgedacht, als ich noch in der Bäckerei arbeitete. Und, du wirst es kaum
glauben, ich habe dabei an dich gedacht!«
Niklas’
Miene wechselte zwischen Erstaunen und Unglauben, während Bernard fortfuhr:
»Wie du
soeben gesehen hast, liegen hier die Küche und die Bäckerei direkt neben der Brauerei.
Nicht so wie in Urbrach, wo wir uns das Zeug und andere Braureste immer von weiter
her abholen mussten. Und als ich einmal in der Backstube stand und Brotlaibe formte,
fiel mein Blick aus dem Fenster auf eine Reihe von Mitbrüdern, die um ihre tägliche
Bierration anstanden. Während des Wartens kreuzen sie immer die Arme vor der Brust.
Du weißt, dass wir diese Haltung, nach dem lateinischen ›Braces‹ für Arme, ›Brachitum‹
nennen. Und weil ich daran dachte, um wie viel länger die Brüder für dein Bier anstehen
würden, habe ich einen Teig in Brachitum-Form gelegt und gebacken. Die Brüder hier
mögen sie und wir nennen sie ›Braces‹.«
Beide
lachten herzhaft und prosteten sich mit frischem Bier zu; auch die Dominikaner brauten
ihr eigenes Bier.
Niklas
bemerkte aber gleich, dass Bernard ein anderes Bier trank, als er ihm kredenzte.
Sein eigener Krug enthielt das dunkle, süße Bier der Gastfreundschaft, Bernard trank
ein dünnes, nur leicht mit Honig gesüßtes Bier.
Als er
ihn darauf ansprach, verfinsterte sich Bernards Miene.
»Dass
ich heute überhaupt Bier trinke, geschieht nur dir zuliebe. Ansonsten trinke ich
weder Bier noch Wein.«
»Wie kommst
du darauf?«, fragte Niklas erstaunt.
»Einige
Monate, nachdem du Urbrach verlassen hattest, habe ich mit Ansgar einmal das Brauhaus
besucht, um mit deinen Nachfolgern die Versorgung des Zeugs gütlich zu regeln. Dabei
haben wir einige Krüge geleert, zu viele Krüge.«
Sein Gesicht
verfinsterte sich.
»Was ich
dir jetzt erzähle, habe ich noch niemandem erzählt. Ich hoffe, dass es bei dir gut
aufgehoben ist.«
Er fuhr
fort.
»Als ich
am nächsten Morgen wach wurde, lag ich in meiner Kammer. Ich war nackt, meine Kutte
lag auf dem Boden und war durchnässt, anscheinend war ich so berauscht gewesen,
dass ich das
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