Der Bierzauberer
Opfern der Feuersbrunst nahm Niklas die beiden Jungen
als Brauer in Lohn und Brot.
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Niklas hielt sich im Wesentlichen
an die Zusagen, die er Samuel Hirsch und dem Rabbi gegeben hatte.
Die Jungen
durften weiterhin die jüdische Schule besuchen. Es war für Niklas nicht schwer,
der Verpflichtung, auch bei Speisen und Getränken für ein reinliches, gewissermaßen
koscheres Umfeld zu sorgen, nachzukommen. Reinlichkeit war nicht nur in der Brauerei,
sondern auch daheim oberstes Gebot.
Mosche
und Salomon mussten sich an die Kölner Kleiderordnung halten, die für Juden spezielle
Kleidung vorsah, um sie von Christen zu unterscheiden. Sie mussten an ihren Überröcken
zu erkennen sein, bei diesen durften die Rockärmel nicht länger als eine halbe Elle
sein, und deren Pelzbesatz sollte nicht sichtbar sein. Draußen im Freien mussten
sie Mäntel mit Fransen tragen, die mindestens bis zu den Waden reichten. Seidenschuhe
waren tabu.
Diese
Kleider waren zum Brauen denkbar unpraktisch, und so durften sie im Brauhaus, wenn
sonst niemand anwesend war, normale Hemden und ein Wams tragen. Niklas achtete aber
darauf, dass beide, wenn sie das Haus verließen, sich wie Juden kleideten.
Salomon fing als Erster damit
an, sich über gewisse Tabus seiner Religion hinwegzusetzen. Mosche folgte bald nach.
Da die Tabubrüche nur die religiösen Traditionen berührten, nicht aber das Zusammenarbeiten
in der Brauerei erschwerten, machte Niklas kein Aufhebens darum. Und in der Bierstube
gab es immer etwas zu essen, was koscher war oder zumindest so aussah. Es mussten
ja nicht gerade Schnippelbohnen mit Speck sein.
Als Brauergehilfen
waren beide von schneller Auffassungsgabe, fleißig, diszipliniert und reinlich.
Schon nach kurzer Zeit schickte Niklas seine beiden Knechte fort. Er sah Mosche
und Salomon fast als seine eigenen Söhne an. In Zukunft würden sie die Brauerei,
bis auf die Brühfrau, somit als reinen ›Familienbetrieb‹ führen. Schon in wenigen
Jahren würde Matthias Friedrich mithelfen können, wenngleich Niklas ihm eine noch
bessere Ausbildung zu geben gedachte, als er erhalten hatte.
Die Brauerei lief zufriedenstellend,
die Konkurrenz der älteren Kölner Brauereien war hart und die Gruitbiere immer noch
sehr beliebt. Durch die Unterstützung von Mosche und Salomon hatte Niklas sich allerdings
große Sympathien in der jüdischen Gemeinde erworben. Wann immer es ein Fest zu feiern
gab, ob Hochzeit oder Bar-Mizwah, er durfte nicht nur bisweilen mitfeiern, er durfte
auch meist das Bier dazu liefern.
Salomon
hatte bald das kleine Hexagramm am Boden des Maischbottichs entdeckt und Niklas
gefragt, welcher jüdische Schreiner den Bottich gebaut hätte.
Niklas
vertröstete ihn mit der ganzen Geschichte auf den nächsten Winter, dann nahm er
beiden den Eid der ›Reinen Brauer‹ ab.
Ende 1284 bekam er nach langer
Zeit wieder einmal Besuch von Johannes Küpper. Der Kaufmann und der Brauherr hatten
sich, bedingt durch große Geschäftigkeit auf beiden Seiten, immer seltener gesehen.
Aber man verstand sich gleich wieder gut, leerte den einen und anderen Krug und
erzählte sich aus dem Leben.
Küpper
war gerade in Trier gewesen und hatte auf dem Rückweg in Bitburg Station gemacht.
»Der Schöffe
Peter de Foro, der deine Brauerei übernommen hatte, ist letzten Sommer gestorben.
Er knickte auf der Straße um wie ein Baum, der vom Sturm gefällt wird, und war sofort
tot. Hugo La Penna und sein Vater haben die Brauerei übernommen. Jetzt hoffen die
Bitburger, dass das Bier wieder besser wird.«
Beide
lachten und leerten zuerst einen Krug zum Andenken an de Foro, dann einen auf den
Erfolg von La Penna und Elli, der hoffentlich noch dabei war.
Dann wurde Küpper ernst und
sagte:
»Eines
muss ich dir noch erzählen. Ein Mann ist in Köln, der nach dir fragt. Gekleidet
wie ein Dominikanermönch, aber kein echter, wenn du mich fragst. Er ist äußerst
streitlustig, treibt sich in den Bierschänken herum, jedoch ohne etwas zu trinken.
Er beschimpft und verlästert Betrunkene und ist schon mehrfach in Raufhändel verwickelt
worden. Weißt du, wer das sein könnte?«
Niklas
erschrak zu Tode. Seit Jahren hatte er nicht mehr an Bernard gedacht. Seit seiner
Bitburger Zeit glaubte er sich sicher vor dessen Wahnsinn.
Er wusste
nicht, dass Bernard erfahren hatte, dass Niklas’ Haus abgebrannt war. Dass er ebenso
über die Umstände seines Abschieds aus Bitburg Bescheid wusste. Bernard hatte sogar
vom Verlust der
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