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Der Bilderwächter (German Edition)

Der Bilderwächter (German Edition)

Titel: Der Bilderwächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Gremberg schnitt ihn ein weißer Mercedes Kombi.
    Instinktiv trat er auf die Bremse, wurde nach vorn geschleudert, fühlte, wie der Gurt ihm die Luft aus den Lungen presste. Der Typ hinter ihm scherte geistesgegenwärtig auf den Seitenstreifen aus und drückte auf die Hupe.
    Bodo spürte den Schock in sämtlichen Gliedern. Sein Blutfluss schien verlangsamt, ebenso wie sein Denken und Fühlen. Nur sein Herz wollte nicht aufhören, gegen die Rippen zu hämmern. Er hustete und rang nach Luft.
    Der Kombi war längst verschwunden.
    Aber war er das wirklich?
    Oder lauerte der Fahrer irgendwo, um ihn erneut anzugreifen?
    Das Ehepaar Morgenroth, das bei den Ritterschwestern angestellt war, besaß einen weißen Kombi. Einen Mercedes, mit dem sie sämtliche Besorgungen erledigten. Vielleicht gehörte er auch den Schwestern. Bodo meinte, sich zu erinnern, beide schon am Steuer gesehen zu haben.
    Irgendwie traute er einer alten Dame jedoch dieses riskante Manöver nicht zu.
    Wie weit, fragte er sich, ging die Ergebenheit der Morgenroths ihren Arbeitgeberinnen gegenüber?
    Aufmerksam behielt er den Rückspiegel im Blick, umfasste das Lenkrad fester, sooft sich ein weißer Wagen näherte. Doch der Rest der Fahrt verlief ohne weitere Zwischenfälle.
    Er fand einen Parkplatz direkt vor dem Haus, in dem er wohnte. Als er ausstieg, fuhr ihm die Kälte in die Glieder. Dennoch ließ er sich Zeit, um die neue Thermofolie sorgfältig auf der Windschutzscheibe auszubreiten und unter die Scheibenwischer zu klemmen, damit er am nächsten Morgen nicht in aller Herrgottsfrühe Eis kratzen musste.
    Die meisten Fenster waren schon erleuchtet. Bodo konnte die Satellitenschüsseln erkennen, die auf beinah jedem Balkon prangten und den Bewohnern die Sicht nach draußen versperrten.
    Im Sommer waren die Balkontüren und Fenster geöffnet. Man hörte Musik, Fernsehgeräusche, das Klappern von Geschirr. Und Stimmen, die all diese Geräusche zu übertönen versuchten.
    Doch jetzt war Winter. Es war saukalt und es war still. Nicht mal Kinder waren auf der Straße.
    Bodo hatte das seltene Verlangen, irgendeinem Nachbarn im Treppenhaus zu begegnen. Ein paar Worte zu wechseln.
    Er überlegte, sich noch mit den Jungs zu treffen.
    In letzter Zeit hatte er seine Freunde vernachlässigt. Dabei waren sie früher fast täglich um die Häuser gezogen, und allmählich machte sich Frustration bei ihnen breit.
    Die Aussicht auf Gesellschaft beflügelte ihn. Er nahm immer zwei Stufen auf einmal.
    In seiner Wohnung knipste er alle Lichter an.
    Vertrieb die Schatten aus den Winkeln.
    Warf sich aufs Sofa und ließ die Erleichterung auf sich wirken, heil nach Hause gekommen zu sein.
    Er drehte das Radio gerade so laut, dass die gelangweilte alte Ziege unter ihm nicht ihren Pantoffelheld von Mann schicken würde, um sich zu beschweren.
    Dachte nach.
    Eine halbe Stunde später hatte er einen Entschluss gefasst. Er würde sich nach einem neuen Job umsehen. Sobald er einen gefunden hätte, würde er Thorsten Uhland den Kram hinwerfen.
    Jemand hatte versucht, ihn umzubringen.
    Zweimal.
    Alles in ihm sperrte sich dagegen, das Anwesen der Ritterschwestern weiterhin täglich zu betreten.
    Er würde nur noch durchhalten, solange es nötig war.
    Vorsichtig sein. Die Augen offen halten.
    Die Entscheidung gab ihm ein Gefühl von Leichtigkeit, das ihn bis in die Fingerspitzen erfüllte.
    Bald, dachte er. Bald ist das hier Geschichte. Noch ein paar Monate Gras über die Sache wachsen lassen, dann werf ich auch den neuen Job hin, mach die Gouachen zu Geld und fang ein komplett neues Leben an.
    Irgendwo.
    Fast war ihm danach zu pfeifen.
    Vielleicht würde er gleich die Jungs anrufen.
    *
    Birgit Deckstein war nicht nur eine der beliebtesten Dozentinnen an der Kunstakademie in Düsseldorf, sie war auch eine anerkannte Malerin und Fotografin.
    Und ein wunderbarer Mensch.
    Man konnte mit jeder Frage zu ihr kommen. Sie nahm sich Zeit und fand für die meisten Probleme eine Lösung.
    Als Ilka an ihre Tür geklopft hatte, war sie nicht sicher gewesen, die Professorin anzutreffen, denn Birgit Deckstein hatte keine Sprechstunde. Umso mehr freute sie sich, als sie das auffordernde » Ja, bitte!« hörte.
    Die Dozentin saß an ihrem Schreibtisch und telefonierte. Mit einer Handbewegung bedeutete sie Ilka, auf dem Besucherstuhl Platz zu nehmen.
    » Das glaube ich auch«, sagte sie und machte sich eine Notiz in ihrem Terminkalender.
    Ilka war schon einige Male hier gewesen, und fast war ihr das

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