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Der Bilderwächter (German Edition)

Der Bilderwächter (German Edition)

Titel: Der Bilderwächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Was verstehen Sie unter angemessen?«
    » Ordentlich. Sauber. Hose, Pullover, Sakko. Passend eben.«
    Die Frau, die Bodo Breitners Kleidungsstil so beschrieben hatte, trug einen schweinsohrfarbenen Jogginganzug mit neongrünen Crocs und hatte das kräftige schwarze Haar mit einem ausgefransten roten Stirnband gebändigt. Sie war um die fünfzig und platzte aus allen Nähten.
    » Sonst wissen wir nichts über ihn«, sagte sie und schloss ihren Mann, der zu jedem ihrer Worte bedeutsam nickte, wie selbstverständlich mit ein. Er hatte einen Schlafanzug an, dem zwei Knöpfe fehlten. Darunter blitzte ein grau gewaschenes Unterhemd hervor.
    » Gar nichts?«, fragte Bert.
    » Nicht das Geringste.« Sie schüttelte den Kopf. Das ausgeleierte Stirnband geriet ins Rutschen und sie schob es wieder ins Haar. » Wir bleiben schön für uns. Das hat sich bestens bewährt.«
    Auch bei den anderen Mietern schien sich diese Haltung bewährt zu haben.
    » Guten Tag und guten Weg und Punkt. Bloß keine Verbrüderungen. Man sagt schneller du Arschloch als Sie Arschloch, ist es nicht so?«
    Rick hatte genervt mit den Augen gerollt, und Bert hatte sich gefragt, wie Menschen so leben konnten, jeder für sich, wie Ratten in den übereinandergestapelten Käfigen der Versuchslabore.
    Im nächsten Moment war ihm eingefallen, dass er selbst da keine Ausnahme machte. Er hatte seine Wohnung immer noch nicht angenommen und hätte die wenigsten Hausbewohner auf der Straße erkannt.
    Niemand hatte etwas gesehen oder gehört.
    Alles war gewesen wie immer.
    » Unfassbar! Man stirbt doch nicht einfach und keiner kriegt’s mit.«
    Doch genau das war geschehen, und es war reiner Zufall gewesen, der dazu geführt hatte, dass der Tote gefunden worden war.
    Frida Magolius aus dem Erdgeschoss, Mitte vierzig, geschieden und alleinlebend, hatte nach einer Feier die Gäste verabschiedet und zur Haustür gebracht, als ihr Hund aufgeregt an ihr hochgesprungen war.
    » Immer und immer wieder, obwohl er das nicht darf. Ich hasse schlecht erzogene Hunde und Kinder. Aber er hat nicht aufgehört, ist ein paar Stufen die Treppe raufgelaufen und wieder zu mir gekommen, hat an meinen Schuhen gekratzt und sich in meinen Rock verbissen. Der ist total ausgeflippt.«
    Der Hund, ein cremefarbener Mops mit den typischen blanken Kugelaugen, lag seinem Frauchen zu Füßen, die zerknitterte Schnauze auf den Vorderpfoten, und atmete schwer.
    Die Gäste hatten ein Chaos zurückgelassen.
    Luftschlangen kräuselten sich auf den Teppichen, blinde Wein- und Biergläser standen auf Tischen und Fensterbänken, Pizza- und Tortenreste, auf denen Käse und Sahne vertrockneten, lagen auf geblümten Tellern.
    Es roch nach Menschen, nach Alkohol und Ausgelassenheit.
    Umso leerer kam es Bert jetzt in diesem Wohnzimmer vor und umso trauriger. Frida Magolius stand der Schock noch in den Augen, doch sie hatte das Angebot einer Polizeibeamtin, sich um sie zu kümmern, abgelehnt.
    Ihre Tochter sei bereits unterwegs, um sich ihrer Mutter anzunehmen.
    » Er wollte sich einfach nicht beruhigen und nicht in die Wohnung zurück. Irgendwas musste da oben sein. Irgendwas, das ihn außer Rand und Band geraten ließ. Plötzlich hat er sich umgedreht und war weg.«
    Der Mops schenkte Bert einen sorgenvollen Blick, schnaufte und schloss die Augen wieder. Er hatte sein Bestes gegeben und erwartete keine Dankbarkeit.
    » Ich hatte keine Wahl, bin hinter ihm her die Treppe rauf, obwohl mir inzwischen ziemlich mulmig war. Als ich gemerkt hab, dass es ihn zum Speicher zog, wollte ich umkehren, doch da war er bereits oben verschwunden, und im nächsten Moment hab ich ihn winseln hören, und das Herz ist mir in die Hose gerutscht.«
    Frau Magolius streichelte gedankenverloren die faltige Stirn ihres Hundes, der mit leisem, wohligem Knurren darauf reagierte. Bert befürchtete, sie werde in Tränen ausbrechen, aber das tat sie nicht. Sie hob den Hund auf ihren Schoß und schloss ihn in die Arme.
    » Und da lag er, der junge Mann. Ich … hab mir sofort den Hund geschnappt, bin in meine Wohnung und hab den Notarzt gerufen.«
    » Lebte Bodo Breitner da noch?«, fragte Rick.
    Sie setzte den Mops wieder ab und strich hektisch über ihren Rock, als sei er mit Hundehaaren übersät. Diese Art von widersprüchlichem Verhalten hatte Bert schon bei vielen Menschen in ähnlichen Situationen beobachtet. Der Wunsch nach Nähe und Trost und die Unfähigkeit, beides auszuhalten, waren oft Folgen eines Schocks, wie sie ihn erlitten

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