Der Bilderwächter (German Edition)
einzuengen, ebenso der Pulli.
War er auf den Speicher gekommen, um die Wäsche abzunehmen?
Bert ging zur Wäscheleine. Es waren tatsächlich die Kleidungsstücke eines Mannes, die dort hingen. T-Shirts, Socken, Slips, zwei Jogginghosen und mehrere leichte Pullis. Die Sachen waren trocken.
Aber nirgendwo stand ein Wäschekorb.
Bert hörte, wie Rick die Kollegen von der Spurensicherung begrüßte und sie informierte. Sie alle redeten mit gedämpfter Stimme, und er war froh darüber. Rick und Bert überließen ihnen den Speicher und gingen die Treppe hinunter, um sich Bodo Breitners Wohnung anzusehen und dann mit den ersten Befragungen zu beginnen.
*
Ich konnte nicht schlafen. Meine Gedanken kehrten immer wieder zu Ilka zurück.
Mike hatte nicht zugelassen, dass sie wieder nach Düsseldorf fuhr, und sie hatte sich nur schwach gegen seine Bitte gewehrt, die Nacht bei uns in Birkenweiler zu verbringen.
» Ist es denn so schlimm, wenn du einen Vormittag blaumachst?«, hatte er gefragt.
Dabei war das nicht annähernd der Punkt, und das wusste er auch. Man sah ihm förmlich an, wie sehr er sich bemühte, das wirkliche Problem zu verdrängen.
Die Vergangenheit hatte sich aus dem tiefen Loch befreit, in dem Ilka sie vergraben hatte, und wir alle erkannten, was wir nicht hatten wahrhaben wollen – sie hatte nichts von ihrem Schrecken verloren.
Wir hatten noch eine Weile in der Küche gesessen und miteinander geredet und Ilka, die geistesabwesend zugehört hatte, in Ruhe gelassen. Es tat ihr gut, bei uns zu sein, aber es drängte sie gleichzeitig, den nächsten Zug zu nehmen und wieder wegzufahren. Man konnte ihr die widersprüchlichen Empfindungen am Gesicht ablesen.
Auch den Wunsch, Abstand von Mike zu wahren.
Es zerriss mich fast, mich in jeden von beiden hineinversetzen zu können. Ich sah Mikes flehende Blicke und wie Ilka unsicher die Arme vor der Brust verschränkte. Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen und sich unmerklich von Mike abgewandt.
Wahrscheinlich konnte sie es nicht wagen, ihn näher an sich heranzulassen, denn sie musste sich vor seinen Gefühlen schützen, um ihre eigenen in den Griff zu bekommen.
Merle versuchte, die Stimmung aufzulockern, indem sie von ihrem Plan eines Osterfests im Tierheim erzählte. Es gelang ihr sogar, Ilka kurz aus der Reserve zu locken, als sie sie fragte, ob sie vielleicht eines ihrer Bilder beisteuern könnte.
» Geniale Idee«, sagte Ilka begeistert. » Was hältst du davon, wenn ich mal in der Kunstakademie rumfrage? An einer Ausstellung sind bestimmt einige interessiert, und ich sage dir, die Leute da sind zum Teil richtig, richtig gut.«
Merle fing Feuer. Sie holte ihre Unterlagen und begann, sich Notizen zu machen.
» Wir haben ja alle Sparten«, sagte Ilka. » Malerei, Grafik, Fotografie, Skulptur, Film und Video. Ich könnte mir auch eine Performance vorstellen. Da gibt es ganz irre Sachen.«
» Wir müssen nur noch das nötige Geld beschaffen.« Merle setzte ein dickes Ausrufezeichen hinter das Wort, das sie zuletzt geschrieben hatte. » Bei so einer Aktion sollte man nicht kleckern, sondern klotzen, sonst kann man es gleich bleiben lassen.« Ihre Augen sprühten förmlich Funken. » Aber ich weiß auch schon, wo ich anklopfen muss.«
» Wo?«, fragte Mike.
» Morgen ist Mittwoch«, erklärte Merle. » Da muss ich wieder bei den Ritterschwestern antanzen. Ich hab sie schon ein bisschen heiß gemacht. Jetzt muss ich nur noch nachlegen. Wenn es um Kunst geht, rennst du bei denen offene Türen ein. Wer sonst würde privat ein Gebäude extra für Bilder errichten lassen?«
Das hörte sich ziemlich kaltschnäuzig an, doch wir alle wussten, wie sehr Merle an den alten Damen hing. Seit sie sich von ihren Eltern abgewandt hatte, weil sie sich mehr für ihr Haus, ihren Hund und die Gartenzwerge interessierten als für ihre eigene Tochter, waren aus Emilia und Hortense nach und nach ihre Ersatzgroßmütter geworden.
Nach diesem Austausch war Ilka wieder in ihr Schweigen zurückgefallen, und als sie beschloss, ins Bett zu gehen, gab sie Mike einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange und verschwand in ihrem Zimmer.
» Okay«, murmelte Mike und streckte die langen Beine aus. » Das war’s dann wieder.«
Er konnte sich noch so locker geben, die Verzweiflung in seinen Augen sprach eine andere Sprache.
» Das wird schon«, versuchte Merle ihn zu trösten.
» Steck dir deine Sprüche doch sonst wohin«, fuhr Mike sie an, sprang auf und zog sich in seine
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