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Der Bilderwächter (German Edition)

Der Bilderwächter (German Edition)

Titel: Der Bilderwächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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versank im Wasser, das plötzlich sehr tief war und sehr schwarz.
    Jetzt ist er wirklich tot, dachte Ilka und ging auf die Knie, spürte, wie das kühle Gras ihre Beine streichelte, fühlte die Trauer um Ruben und alles, was gut gewesen war zwischen ihnen. Denn auch das hatte es gegeben. Schöne Augenblicke, unschuldige Momente und eine Liebe, die in Einklang stand mit der Moral der andern.
    Sie tauchte die Finger in das eiskalte Wasser, wie um Abschied zu nehmen, da schoss plötzlich Rubens Hand hervor, weiß wie der Mond in Winternächten, packte sie und zog sie in die Tiefe.
    Schreiend fuhr Ilka aus dem Schlaf.
    Erblickte Jette neben sich. Wurde ruhig und sank schweißnass auf das Kissen zurück.
    » Pschsch«, flüsterte Jette. » Es war bloß ein Traum.«
    Aber es dauerte lange, bis Ilka sich traute, die Augen wieder zu schließen.
    *
    Hortense Ritter geisterte durchs Haus. Die Schlaflosigkeit war das größte Übel des Alters. Noch nie waren ihr die Nächte so quälend lang vorgekommen. Es hatte keinen Sinn, im Bett liegen zu bleiben, wenn sie nicht schlafen konnte, denn dann wuchsen die Probleme zu Ungeheuern heran, die nicht mehr zu bändigen waren.
    Es gab so viele dieser Monster in ihrem Leben.
    Von denen Emilia das vielleicht kleinste, nicht jedoch ungefährlichste war.
    Manchmal wünschte Hortense, Emilia wäre tot. Tot und begraben und nicht mehr in der Lage, sie zu quälen – mit ihrer bloßen Gegenwart. Sie würde ein Jahr lang Schwarz tragen und angemessen trauern.
    Und dann keinen Gedanken mehr an sie verschwenden.
    Möglicherweise würde sie das Zimmer ihrer Schwester unangetastet lassen. Schon der Leute wegen. Im Haus war ja Platz genug. Man konnte sich fast darin verlaufen.
    Natürlich gäbe es die Erinnerungen.
    Die konnte man schlecht kappen. Sie würden nachwachsen wie wilde Rosentriebe. Hier der Stuhl am Esstisch, auf dem Emilia immer gesessen, dort ihre Lieblingstasse, aus der sie so gern ihren Kakao getrunken hatte.
    Hortense schämte sich ihrer Fantasien nicht. Dennoch verbarg sie sie gut. Lediglich Ruben erzählte sie in ihren Briefen davon. Ruben behielt ihre Geheimnisse für sich. Bei ihm waren sie gut aufgehoben.
    Die Nacht war voller Geräusche.
    Hortense hörte Schreie, die sie nicht deuten konnte, von Vögeln vielleicht oder von Wildtieren, die in strengen Wintern die Nähe der Häuser suchten. Und manchmal heulte es ums Haus, dass ihr angst und bange wurde, selbst wenn sie vermutete, dass es der Wind war, der sich im Kamin fing.
    Aber war es wirklich der Wind?
    Sie holte tief Luft, ging langsam durch das schlafende Wohnzimmer und genoss das Aroma der nelkengespickten Apfelsinen. Ganz leicht konnte sie auch den Duft der Äpfel wahrnehmen, die Frau Morgenroth im Keller ausgelegt hatte. Einen neben den andern und alle auf sauberem Papier. So hatten es Hortenses Eltern gemacht und ihre Großeltern und Urgroßeltern wahrscheinlich auch.
    Hortense fand diese Gewohnheiten beruhigend und schön. Sie hätte auch gern gesehen, wenn Frau Morgenroth noch Pfirsiche eingekocht hätte, Kirschen und Birnen.
    Wie früher.
    Doch das tat heutzutage niemand mehr.
    » Das können Sie doch alles viel bequemer und besser kaufen«, hatte Frau Morgenroth gesagt, und Emilia hatte ihr recht gegeben.
    Emilia …
    Das Esszimmer mit der tickenden Wanduhr und dem Klavier. Wie gern hätte Hortense jetzt etwas gespielt. Etwas Leichtes, Heiteres. Um die Nacht zu verjagen, die das Haus mit ihren schwarzen Tüchern verhüllt hatte.
    Hortense seufzte.
    Und ging weiter.
    Strich wie ein Geist durch die Räume, die für den Augenblick ihr ganz allein gehörten.
    Irgendwann kehrte sie in ihr Bett zurück, erschöpft und zufrieden, und es machte ihr nicht einmal mehr etwas aus, dass sie durch die Wände hindurch Emilias Schnarchen hören konnte.

Niemand in dem Achtparteienhaus schien Bodo Breitner näher gekannt zu haben. Bert und Rick hatten bereits mit den meisten Bewohnern gesprochen. Es war nicht nötig gewesen, sie aus dem Schlaf zu holen, das hatten Blaulicht, Türenschlagen, Stimmen und Fußgetrappel auf der Treppe gründlich besorgt.
    Bodo Breitner sei unauffällig und zurückhaltend gewesen, habe selten Besuch empfangen und nur ab und zu laut Musik gehört. Er sei jeden Morgen zur Arbeit gefahren und abends zu unterschiedlichen Zeiten nach Hause gekommen. Er habe sich für die Arbeit anders angezogen als in seiner Freizeit.
    » Angemessen«, hatten gleich mehrere Bewohner gesagt, und Rick hatte nachgefragt: »

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