Der Bilderwächter (German Edition)
und ob überhaupt. Möglich, dass Margot die Feiertage bereits durchgeplant hatte und ihm lediglich zwei Alternativen bot: ihre Entscheidungen zu akzeptieren oder es bleiben zu lassen. So handhabte sie es mit allen Familienfesten.
Ich sollte mich darum kümmern, dachte Bert. Doch allein der Gedanke daran verursachte ihm Magenschmerzen. Es war unglaublich, welche Kälte Margot ausstrahlen konnte. Dann verwandelten sich ihre Worte im Handumdrehen in Pfeile aus Eis.
Sie nahmen ein erweitertes Frühstück mit allem, was auf der Karte zu finden war. Das meiste davon verputzte Rick, der essen konnte, was er wollte, ohne auch nur ein Gramm zuzulegen.
Nachdem der erste Hunger gestillt war, redeten sie über den Fall.
Sie hatten die Tatwerkzeuge noch nicht gefunden. Die Chance, sie irgendwo anders zu entdecken, wurde von Stunde zu Stunde geringer.
Auf dem Dachboden hatte es von Spuren nur so gewimmelt, was verständlich war, denn dort schien reges Treiben zu herrschen. Die Bewohner hängten Wäsche auf, und sie nutzten den Raum, um Sachen abzustellen. Da er nicht abgeschlossen war, konnten sich Hinz und Kunz da oben tummeln.
Am Schlüsselbund, den Bert aus der Tasche des Toten gezogen hatte, gab es einen Schlüssel, den sie noch nicht zuordnen konnten. Er schien zu einem Schließfach zu gehören, doch er war bei keiner Bank gemeldet. Auch im Ausland waren sie nicht fündig geworden, weshalb Bert vermutete, dass Bodo Breitner ein Schließfach bei einem privaten Betreiber angemietet hatte.
» Wozu braucht ein kleines Licht wie der Tote ein Schließfach?«, wunderte sich Rick und schaufelte genüsslich Rührei mit Speck in sich hinein.
» Das habe ich mich auch gefragt«, sagte Bert, der die Mischung der unterschiedlichsten Essensgerüche gerade ziemlich unangenehm fand, weil manche so gar nicht zueinander passten. » Was verwahrt man in einem Schließfach?«
Rick zuckte mit den Schultern. » Geld? Schmuck? Papiere? Mich darfst du das nicht fragen. Ich hab keine Reichtümer angesammelt.«
Ich auch nicht, dachte Bert. Der einzige Reichtum, nach dem ich mich sehne, ist eine Schriftstellerin, die in einer alten Mühle lebt und einen anderen Mann liebt. Der Schmerz traf ihn ganz unvermittelt. Er empfand seine Ohnmacht so stark wie selten zuvor.
» Alles okay?«, fragte Rick.
Sah man es ihm jetzt schon an? Bert setzte ein Lächeln auf.
» Ja. Hab nur an was gedacht.«
Rick nickte und beugte sich wieder über seinen Teller.
» Mit Aktien kann man sehr schnell zu Geld kommen«, sagte Bert. » Man braucht nur Mut zum Risiko und ein gutes Auge.«
» Das sollten wir überprüfen«, sagte Rick.
» Bodo Breitner kann auch einfach persönliche Unterlagen in dem Schließfach untergebracht haben.«
» Aber warum hat er kein Schließfach bei einer stinknormalen Bank gemietet, wenn er nichts zu verbergen hatte?«
» Die Schließfächer bei privaten Anbietern sind leichter zugänglich. Man ist zum Beispiel nicht an die Öffnungszeiten einer Bank gebunden.«
» Ich kümmere mich darum«, versprach Rick.
Noch hatten sie keinen Verdächtigen, was nach erst anderthalb Tagen nicht Besorgnis erregend war.
Allerdings fehlte jede heiße Spur.
Der Tote hatte offenbar wenig Kontakt zur Außenwelt gehabt. Falls eine Freundin existierte, so hatten sie keinerlei Hinweise auf sie gefunden. In der Wohnung gab es keine Anzeichen dafür, dass sich eine Frau dort aufgehalten hätte, keinen Lippenstift, kein weibliches Kleidungsstück, kein Parfüm, kein Foto.
Aber Bodo Breitner hatte Freunde gehabt. Die Nachbarn hatten ausgesagt, dass sie ihn früher häufig inmitten einer Gruppe junger Männer gesehen hatten. Die üblichen Kumpels anscheinend, mit denen man Fußballspiele anschaute und durch die Kneipen zog.
» Und Sport treibt, wie wir wissen«, sagte Bert. » Bodo Breitner hat Kraftsport gemacht, und er war ein Läufer. Ein leidenschaftlicher, denn die Laufschuhe, die wir in seiner Wohnung gesehen haben, sind nicht billig gewesen.«
» Also klappern wir sämtliche Fitnessstudios ab?«
Bert nickte. Etwas anderes würde ihnen kaum übrigbleiben.
» Dann mal los.« Rick wischte sich den Mund und legte die Serviette auf seinem Teller ab. » Da haben wir ja gut zu tun.«
Allerdings. Es sei denn, Bodo Breitner hatte sich für ein Studio in der Nähe seiner Wohnung entschieden.
Sie brauchten nur ein bisschen Glück.
*
Der Express lag überall herum, selbst in der Uni, und der reißerische Aufmacher war nicht zu übersehen. Auf Seite
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