Der Bilderwächter (German Edition)
kontrollieren.«
» Wie soll das gehen?«
Die Kellnerin brachte uns die Torte und gleich darauf den Kaffee. Ihr linker Arm steckte in einem Gipsverband und sie musste mehrmals hin und her laufen. Es machte schon müde, ihr bloß zuzuschauen.
» Sie darf sich die Fäden nicht aus der Hand nehmen lassen, und es wäre gut, wenn sie jemanden hätte, der ihr dabei hilft.«
» Jemand, zu dem sie Vertrauen hat.«
» Richtig. Und Erfahrung. Es muss einer sein, der Ahnung von der Materie hat und sich auskennt in Erbschaftsangelegenheiten. Und der seinerseits Leute kennt, die ihm bei schwierigen Fragen weiterhelfen können.«
» Und wo findet man so einen?«
Luke hatte Stachelbeerkuchen mit Baiser gewählt. Vor mir stand ein riesiges Stück Käsesahnetorte. Mir lief das Wasser im Mund zusammen.
» Ilka sollte sich auf jeden Fall nach einem Anwalt umsehen«, sagte Luke. » Über kurz oder lang wird sie ihn brauchen.«
Am Nebentisch las ein alter Mann den Express. Wahrscheinlich tat das in diesem Augenblick halb Köln. Womöglich würden heute Abend schon die Nachrichtensendungen über die Neuigkeiten berichten.
» Scheißspiel!« Mit einer silbernen Kuchengabel stach Luke die Spitze der Baiserhaube ab. » Leo hätte ein paar Männer losgeschickt und den einen oder andern eingeschüchtert. Den Rest hätte er gekauft. Damit wär das Problem erledigt gewesen.«
» Aber die Zeiten sind vorbei«, sagte ich.
» Und das ist gut so.«
Luke langte über den Tisch und nahm meine Hand. Die Berührung seiner Haut setzte mich unter Strom, und für einen Moment schämte ich mich dafür. Gerade hatten wir über Ilkas Probleme gesprochen, und Sekunden später prickelte in mir die Lust auf Luke.
Ich rückte näher an ihn heran und küsste ihn und vergaß den Rest der Welt.
Ilka hatte kein schlechtes Gewissen wegen der Kunstakademie. Andere schwänzten andauernd. Sie hatte beschlossen, erst am Montag wieder nach Düsseldorf zu fahren. Heute war Donnerstag, das bedeutete, dass sie nur zwei Tage Unterricht versäumte.
Sie genoss es, einmal wieder an einem Wochentag in Birkenweiler zu sein. Jette war in der Uni, Merle im Tierheim und Mike unterwegs, um im Baumarkt einzukaufen.
Die Katzen lagen träge an ihren Schlafplätzen. Nach der ersten Begeisterung über den Schnee hatten sie ihn rasch satt bekommen. Er war ihnen zu kalt. Und zu nass. Außerdem streuten sämtliche Nachbarn Salz. Der tat ihnen an den Pfoten weh.
Klecks hatte sich Ilkas Zimmer als Rückzugsort ausgesucht. Das rührte sie, auch wenn die Vermutung nahelag, dass er ihr Zimmer nur deshalb gewählt hatte, weil er dort während der Woche ungestört war.
Auch jetzt lag er wieder auf der Fensterbank. Ilka hatte ihm ein zusammengefaltetes Wolltuch spendiert, um es ihm gemütlich zu machen, und er hatte es dankbar angenommen.
Klecks war durch die schrecklichen Erlebnisse bei dem Überfall auf das Tierheim so traumatisiert, dass er kaum noch fest schlief. Das leiseste Geräusch weckte ihn auf und ließ ihn in den Keller flüchten, wo er sich halbwegs sicher fühlte. Seine spitzen Ohren folgten jedem Laut und jeder Bewegung.
Ilka hatte beschlossen, Onkel Knuts Einladung zum Abendessen doch anzunehmen. Mike, der mit ihrer Familie prima zurechtkam, wollte sie begleiten.
Onkel Knut hatte ihr immer wieder seine Hilfe angeboten. Als Banker verfügte er über wichtige Kontakte, ebenso wie Ilkas Vater es getan hatte. Und da er ohnehin sämtliche finanziellen Angelegenheiten für sie regelte, war es sinnvoll, sich mit ihren Fragen an ihn zu wenden.
Der Artikel im Express hatte Ilkas Handy heiß laufen lassen. Schließlich hatte sie die Notbremse gezogen und es ausgemacht. Als sie es jetzt probehalber wieder aktivierte, klingelte es augenblicklich.
Klecks sprang blitzschnell von der Fensterbank und verzog sich in eine Ecke.
» Hi, hier ist Marten.«
An ihn hatte Ilka überhaupt nicht gedacht.
» Ich hab dich im Seminar vermisst. Wo steckst du?«
» Zu Hause.«
» Ich hab den Artikel im Express gelesen.«
Wie jeder hier in der Gegend.
Ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit breitete sich in Ilka aus. Sie kämpfte dagegen an, wollte sich nicht niederdrücken lassen.
» Du also auch«, sagte sie.
Marten schwieg, als wartete er auf einen weiteren Satz, doch Ilka fiel keiner ein. Sie spürte eine starke Verbindung zu dem Kater, der wie ein Schatten in der Ecke kauerte und darauf wartete, dass der Himmel über ihm einstürzte.
» Kann ich irgendwas für dich tun?«, fragte
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