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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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seit Tagen gefühlt hatte, behelligte ihn die Krankheit am Rand seiner Wahrnehmung mit einem verstohlenen Flackern derselben seltsamen Aura: ein fließendes Weiß und Violett auf dem Beifahrersitz, das jede scharfe Kante glättete, jede Angst vertrieb.
    Als sie in Thornhill ankamen, wo sie Sandra begrüßten, Hallo zu Freddie sagten, Glass’ Gepäck in sein Zimmer trugen und sich anschließend zu einer gemütlichen Tasse Tee hinsetzten, fühlte sich Shaper völlig in Einklang mit der Welt. Ihm fiel auf, dass sich sogar sein Zittern fast völlig gelegt hatte. Es war eigenartig, dass Glass eine solche Veränderung in ihm zu bewirken vermochte – falls sie denn an Glass’ Einfluss lag –, seine eigene zittrige Gebrechlichkeit jedoch nicht heilen konnte, die umso schlimmer zu werden schien, je mehr der Mann unter Leute kam. Es war, als handle es sich bei der vorteilhaften Wirkung, die er auf Shaperausübte, um eine endliche Quelle, eine heilende Ausstrahlung, und je mehr er davon in die Welt abgab, desto weniger blieb offenbar für ihn selbst übrig …
    Hör auf damit .
    Shaper starrte finster auf die trübe Reflexion in seiner Teetasse und vertrieb die rührseligen Gedanken mit einem mentalen Chor: New-Age-Schwachsinn! New-Age-Schwachsinn! So gelang es ihm, zurück in den Profimodus zu wechseln. Er beschloss, dass seine Würde in Gefahr geraten könnte, wenn er weiter müßig vor sich hin grübelte, und warf Glass ein nachdenkliches Lächeln zu.
    »Gehen wir spazieren, ja?«
    »Echo!«, rief der alte Mann und grinste wie ein Schuljunge.
    Seine Stimme kehrte wie ein Boomerang mit düsterem Widerhall zurück und brachte ihn zum Kichern. Aufgeregt und mit klickendem Stock watschelte er in die Finsternis.
    Der Keller. Schon wieder .
    Das war etwas, das Shaper schon seit seinem eigenen unheimlichen Erlebnis in der Dunkelheit geplant hatte: Er wollte Glass mit den Relikten einer Vergangenheit konfrontieren, die der Mann vergessen zu haben behauptete. Shaper hoffte, dadurch ein paar Spinnweben aus Glass’ angestaubtem Geist zu fegen und die eine oder andere nützliche Erinnerung freizulegen. Als er jetzt jedoch hinter seinem Auftraggeber herging, sich nervös die Lippen leckte und sich beeilte, damit das runzlige Antlitz in Sichtweite blieb, musste er sich mit seinem zweiten, schäbigeren Vorhaben zufriedengeben. Wenn er Glass’ Gesichtsausdruck nur eingehend genug beobachtete, würde er vielleicht einen verräterischen Hinweis darauf entdecken, dass es sich bei dem vollkommenen und abrupten Gedächtnisverlust um genau das handelte, was es der Logik zufolge sein musste: ein zweckdienlicher Schwindel.
    Du misstrauischer Scheißkerl, Danny.
    Aber nein. Glass ließ nicht das geringste Aufflackern von Vertrautheit erkennen, und auch als er zwischen den glänzenden Überresten des Labors herumkramte, betonten die schlichten, arglosen Augen seine Verwirrung mit unübersehbarer Aufrichtigkeit.
    »Was ist das alles?«, fragte er.
    Du bist ein LSD-Produzent, Kumpel. Und ein von deinem Zeug abhängiger Junge hat in Soho einen Mann umgebracht.
    Wieder brachte er es nicht übers Herz, es ihm zu sagen, und wieder scheute er vor dem Risiko zurück, versehentlich zu viel Wahrheit auszugraben.
    Vielleicht bist du doch nicht so perfekt, was?
    Der Gedanke widerstrebte ihm instinktiv, obwohl er innerlich den Drang verspürte, weiter nach Antworten zu suchen und die Angelegenheit zu Ende zu bringen. Auf Gedeih und Verderb.
    Jedenfalls schien den alten Mann die Dunkelheit der Tunnel regelrecht zu beleben. Er stocherte mit seinem Stock wie mit einem Tiefenmaßstab in jede neu erschlossene Kluft. Er konnte es schier nicht erwarten, bis Shaper den jeweiligen Lichtschalter erreichte, und sein Enthusiasmus wirkte ansteckend. Glucksend schlurfte er durch endlose Gänge und unzählige, vor Gerümpel strotzende Nebenräume. Das eine oder andere Mal versuchte Shaper, auf das furchterregende Rascheln zu lauschen, das er hier letztes Mal gehört hatte, oder jene leichte Bewegung warmer Luft zu erfühlen. Aber Glass’ unbeschwerte Erkundung der Umgebung – durch die er gerade einen Helm des Royal Observer Corps aus dem Zweiten Weltkrieg zutage gefördert hatte – ließ jegliche unheimliche Atmosphäre schlagartig verfliegen.
    Nicht dass es keine Rätsel mehr gab, über die man nachdenken konnte: Sogar der mächtige Schlüsselbund, den Sandra bereitgestellt hatte, konnte mehrere der schweren Türen nicht öffnen, und bei jedem unüberwindlichen

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