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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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Hindernis musste Shaper die Neugier des alten Mannes bändigen, indem er ihn mit anderen Entdeckungen in der Nähe ablenkte. Ein schimmelndes Marionettentheater. Das Skelett eines Frosches. Ein Gettoblaster ausden 1980ern mit einer Auswahl verfallender Kassetten. Bei jeder gezeigten Reaktion – Freude oder Desinteresse – blieb deutlich, dass Glass nichts davon erkannte, und häufig murmelte er: »Das gehört alles mir?« Ganz so, als könne er es nicht recht glauben.
    Binnen kurzer Zeit wurde Shaper des Unterfangens überdrüssig, und er ordnete den Abbruch des sogenannten »Spaziergangs« an.
    »Ist wahrscheinlich auch gut so«, meinte Glass und trotzte tapfer seiner Enttäuschung. »Ich könnte ohnehin ein Nickerchen vertragen.«
    Doch als sie auf die Treppe zusteuerten, sah Shaper, wie der Greis plötzlich innehielt und den Kopf drehte. Glass’ Knie schienen einzuknicken. Eine Sekunde lang fürchtete Shaper, der betagte Bursche könnte fallen, und als er loseilte, um ihm zu helfen, schaute er seitwärts und folgte dem ewig jung wirkenden Blick.
    Es war der Stuhl, der knorrige Mahagonithron, der Shaper bei seinem ersten Besuch des Kellers aufgefallen war und der immer noch auf seinen König wartete, allein und unheimlich in seiner Nische.
    Glass war keineswegs wackelig auf den Beinen, er war bloß wie gebannt.
    »Was ist?«, fragte Shaper.
    »Ich bin nicht … Hmmm.« Die buschigen Brauen des alten Mannes zogen sich zusammen. Plötzlich wirkte er erschöpft, als ermüde ihn die Anstrengung, sich zu erinnern, und Shaper fühlte sich mies dabei, insgeheim zu hoffen, Glass möge doch nachdenken, nachdenken, nachdenken  …
    »Was ist?«, wiederholte er.
    Als würde er von der Schwerkraft des Stuhls angezogen, ging Glass unstet einen Schritt darauf zu und setzte eine finsterere Miene auf, als Shaper ihm zugetraut hätte. Langsam beugte sich der Greis auf das Möbelstück zu. Seine Schultern hoben sich, der Kopf legte sich schief, sein Mund öffnete sich einen Spalt …
    Dann richtete er sich mit einem abfälligen Schnauben auf.»Das ist ein hässliches Ding«, meinte er und schlurfte weiter auf die Treppe zu.
    »Moment – warten Sie kurz. Sie haben den Stuhl erkannt.«
    »Was? Nein.« Glass schüttelte den Kopf. »Nein, mir … mir ging nur durch den Kopf, dass er sich … traurig anfühlt. Aber warum sollte ein Stuhl traurig sein?« Einen Moment lang wirkte er nachdenklich, als hätte ihn die erspürte Melancholie angesteckt, dann zuckte er mit den Schultern und sagte: »Was bin ich doch für ein alberner Tattergreis, hm?« Und damit tapste er davon.
    Nunmehr allein, bewegte sich Shaper geradezu verstohlen auf den Stuhl zu und lauschte, wie der Stock die Treppe hinaufklapperte. Es handelte sich um ein dunkles und unschönes, aber eindeutig robustes Sitzmöbel. Dicke, abgeschrägte Streben, verziert mit geschnitztem Blätterwerk und lackierten Blütenblättern, nahmen die Belastung über einem Sitz aus Flechtwerk und einer gitterartigen Rückenlehne auf. Der Staub, der sich darauf angesammelt hatte, wies keinerlei Störungen auf, und in den galgenartigen Querträgern der Beine hatten sich Spinnen eingenistet. Shaper ließ den Blick von deren ausgedorrten Opfern zu der seltsamen Landschaft der Armlehnen wandern und betrachtete stirnrunzelnd einen merkwürdigen Makel hinter den Knäufen an beiden Seiten. Er rückte noch näher, fühlte sich widersinnigerweise wie ein Eindringling in der Nische des Dings und beugte sich vor, um die Stellen mit zusammengekniffenen Augen genau unter die Lupe zu nehmen. Dabei stellte er fest, dass es sich um angeschraubte Platten handelte, um schlichte, an dem Holz befestigte Metallbänder mit rostenden Verschlüssen an der Oberseite.
    Kälte kroch ihm zäh durch die Adern.
    Gurtschnallen, erkannte er. Fesselungsvorrichtungen.
    Fasziniert sank er auf die Knie und begutachtete die Knäufe selbst, kugelartige Endstücke der Armlehnen, glatte Planeten aus Holz mit strudelnder Maserung. An den Unterseiten verbarg sich eine rauere Beschaffenheit. Dort hatten kurze, wilde Kratzer dasGelände der Holzplaneten aufgerissen, als wären sie durch seismische Aktivitäten aufgebrochen. Ein Schauder durchlief Shapers Körper und ließ die verschwommenen Wahnvorstellungen in seinen Augen aufflammen. Beinah vermeinte er, im statischen Rauschen der Zeit zurückblicken zu können, als erkenne er ein magisches Bild, das sich aus einem bedeutungslosen Chaos herauskristallisierte.
    Das ist nur die

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