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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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Fenster beobachtete Shaper, wie Karls Blicke langsam über die Fotos wanderten, während sich Schweißtropfen auf seiner blassen Haut bildeten. Pisser hin, Pisser her, Vehrmans Technik funktionierte offenbar.
    Karl schien aufgehört zu haben zu atmen. Langsam strichen seine Finger mit ekelhafter Sinnlichkeit über die glänzenden Oberflächen.
    Die Gärtnerin , stellte sich Shaper vor. Zerknittert in einem Lichtschacht, die Knochen unter der Haut zu Staub zerbröselt   …
    Der Gigolo, ein rotes Chaos, halbiert von Stahlgleisen und einer Lokomotive   …
    Die Geschäftsfrau, ausgestreckt zwischen Nesseln, die Kleider von einem Ansturm von Klingen zerfetzt   …
    Langsam, unbewusst, streckte Karl die Zungenspitze vor und leckte sich damit eine Schweißperle von der Nase. Shaper konnte fühlen, wie die Wahnvorstellungen zum Leben erwachten und sich hungrig auf den Wasserspeier nebenan stürzen wollten.
    Vehrman grinste weiter spöttisch. »Siehst du?«, brummte er. »Alles völlig unschuldig. Unfälle, Raubüberfälle … Aber dann – oho!«
    Er klatschte zwei weitere Fotos auf den Tisch, widerwärtig zufrieden mit sich.
    Der Arzt.
    Der Künstler.
    Aufgeschlitzt, geöffnet, freigelegt. Zur Schau gestellt.
    Mittlerweile zitterte Karls Körper, und Shaper blinzelte durchdie zunehmenden Wahrnehmungsverzerrungen. Er versuchte zu erkennen, welche unterschwelligen Emotionen das blasse Gesicht jetzt zerknitterten. Grauen? Abscheu? Freude?
    »Also, was hat sich geändert?«, brummte Vehrman. »Hm? Warum hat sich dein Kumpel Fossey plötzlich zum Exhibitionisten gewandelt, Karl?«
    »F-Fossey war kein Killer«, entgegnete Karl stöhnend. Jede Silbe klang mühsam. »So was hätte er nicht getan.«
    »Ist das so?«
    »Ja.«
    »Ist das wirklich wahr, Karl?«
    »Ja. Hab ich doch gesagt.«
    »Dann ist es vielleicht jemand anderer, was? Vielleicht du?«
    »Nein.«
    »Vielleicht – tun wir nur mal so – vielleicht haben Fossey und du alles gemeinsam gemacht.«
    »Nein.«
    »Musstest du ihn deshalb loswerden, Karl?«
    »Nein!«
    »Oder vielleicht hast du es allein getan. Hat er es rausgefunden? Musstest du ihn zum Schweigen bringen? Wusch! Feuersbrunst!«
    »Nein!«
    Canton flüsterte in der Düsternis: »Der Typ knickt gleich ein …«
    »Oder vielleicht – ja, vielleicht hast du es rausgefunden. Und hast beschlossen, ihn eigenhändig zu bestrafen.«
    »Nein!«, brüllte Karl und schlug wild auf den Tisch. »So ist es nicht gewesen!«
    Abrupt hielt Stille Einzug. Shapers Blut siedete förmlich. Nebenan war Karl aufgesprungen. Seine Hände krümmten sich zu frustrierten Klauen, über seine Wangen strömte Schweiß.
    »Dann kannst du mir ja vielleicht verraten, wie es gewesen ist, Karl«, meinte Vehrman selbstgefällig und bedeutete ihm, sich wieder zu setzen. »Da du ja offenbar so viel weißt.«
    Langsam sackte Karl zurück auf den Sitz, die Augen geschlossen, die Lippen aufeinandergepresst.
    Und dann verwandelte er sich.
    Für Shaper wirkte es, als erblühe eine Blume, als fielen abgestorbene Blätter von ihr ab, um darunter schillernde, lebendige Blüten zum Vorschein kommen zu lassen.
    Karl hörte auf zu zittern und öffnete die Augen. Seine Gesichtsmuskeln schienen zu erschlaffen, seine Züge glätteten sich, und nur die dunklen Ringe unter seinen Augen blieben zurück wie Flecken auf einer bleichen Orchidee. Es war, als wäre er einfach aus sich herausgetreten, als wäre in der verstaubten Einsatzzentrale seines Geistes ein Schalter umgelegt worden und als könne er nun, da die Raketen bereits flogen, nur noch entspannt abwarten.
    Shaper musste dabei an einen Junkie denken, der sich unsichtbar einen Schuss gesetzt hatte.
    »Es ist eine einfache Frage der Erregung«, sagte er mit völlig veränderter Stimme.
    Ihm gegenüber lehnte sich Vehrman mit zerknautschter Miene zurück. Sogar Canton stieß atemlos hervor: »Waaas?«
    Shaper hörte ihn kaum. Für seine Sinne strotzte der Mann vor grässlichen Farben und misstönenden Schreien – es war wieder die Krankheit, die tief in sein Mark hineinfuhr und an einer gequälten Wahrnehmungsschraube drehte.
    Vehrman hatte sichtlich Mühe, die Fassung zu bewahren. »Was meinst du damit, Erregung?«
    »Der Drang wird unerträglich. Man hat das Gefühl, eine … eine Mission zu haben … eine gerechte Aufgabe … und anfangs reicht das. Man erledigt die Arbeit, verwischt die Spuren …«
    »Redest du von Mord?«
    »Aber im Verlauf der Zeit widerstrebt es einem. Diese …

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