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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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diese perfekte Sache, diese gerechte Sache … Es scheint nicht richtig zu sein, dass man sie nicht mit der Welt teilen kann. Es ist nicht richtig, dass man sie nicht zeigen kann.«
    Während Shaper das Geschehen mit kribbelnder Haut beobachtete, musste er an seine erste Begegnung mit Mary denken – an ihre Darbietung einer Hellseherin, an das Kanalisieren einer anderen Energie …
    Er fand, Karl war darin weit besser als sie.
    »Ist es denn nicht bloß fair«, flüsterte der Mann mit zuckenden Augen, »ein wenig Anerkennung haben zu wollen? Hm? Gefeiert zu werden? Sein Werk zur Schau zu stellen?« Der Blick seiner schattigen Augen senkte sich erneut auf die Fotos, und er berührte salbungsvoll die beiden letzten Opfer. »Mit Blut und Knochen für sich zu werben? Stolz zu sein?«
    Mit einem verhaltenen kleinen Lächeln lehnte er sich auf dem Sitz zurück und schien einfach abzuschalten. Shapers Sinne reagierten entsprechend und wechselten in einen niedrigeren, von leichten Kopfschmerzen begleiteten Gang. Neben ihm stieß Canton hörbar den Atem aus und drehte ihm das verwirrte Gesicht zu.
    »War das … war das jetzt grade ein Geständnis?«
    Shaper konnte nur mit den Schultern zucken.
    Vehrman schien genauso verwirrt zu sein. Er verlagerte auf seinem Stuhl das Gewicht. »Also gibst du’s zu?«
    »Was zugeben?« Karl schaute finster drein. Seine Stimme hatte wieder jenen mädchenhaften Tonfall.
    »Die Morde, Karl. Die verdammten Morde!«
    Der Mann mimte ein erstauntes Oh! »Tut mir wirklich leid … Ich dachte, wir reden hier hypothetisch. Offensichtlich mutmaße ich nur. Ich meine, warum sonst sollte jemand von … von dem hier« – er tippte auf die ersten drei Bilder, dann auf die letzten zwei – »zu dem hier übergehen?«
    »Der ist völlig irre«, stieß Shaper hervor.
    Vehrman steckte die Fotos wieder weg, wobei er wie ein Vater wirkte, der sein Kind von einem Fremden zurückzieht. »Warum hast du Matthew Foster umgebracht?«, verlangte er zu erfahren, unübersehbar genervt.
    »Hab ich nicht.«
    »Ein qualmendes Loch in Harlesden behauptet aber etwas anderes.«
    »Ich hätte ihm nie wehtun können.«
    »Warum nicht?«
    Karl zuckte mit den Schultern. »Fossey und ich haben einander geliebt.«
    Im Nebenraum wechselte Shaper mit seinem Freund einen verunsicherten Blick.
    »Eifersucht« , hatte Sandra gesagt, wie sich Shaper erinnerte. »Ich habe Ihnen ja schon gesagt, dass ich zu der Zeit mit Fossey ging. Das ist Karl sauer aufgestoßen.«
    Shaper flüsterte ein leises » Ah «.
    Da hatte ich was falsch verstanden.
    »Wie hat eure Beziehung ausgesehen?«, bohrte Vehrman weiter.
    »Wir haben einander kurz gekannt. Das muss … 1994 oder 1995 gewesen sein.«
    Unmittelbar bevor Sandra schwanger wurde, rechnete Shaper in Gedanken nach. Unmittelbar bevor Fossey verrückt wurde, Glass sein Gedächtnis verlor, Boyle verschwand und … und …
    Und was zum Henker ist dann passiert?
    »Leider war er hetero.« Erneut zuckte Karl mit den Schultern. »Zumindest damals.«
    »Wie meinst du …«
    »Ich musste eine Zeit lang weg. Es hätte ohnehin nicht funktioniert, jedenfalls nicht in dieser Phase unseres Lebens.«
    Vehrman stöberte in der Akte auf dem Tisch. »›Weg‹«, wiederholte er. »Damit meinst du ›eingebuchtet‹, oder? In irgendeinem Drecksloch im Ausland, würde ich wetten. Keine Aufzeichnungen, richtig? Worum ging es? Schmuggel? Rumfummeln mit Kindern?«
    »Nur gefährliche Menschen werden eingesperrt, Officer. Meine Mutter … sie wollte mir helfen .«
    Die Verbitterung und der Hass schwangen in jeder abgehackten Silbe mit, und Karl vergrub abrupt mit einem Seufzen das Gesicht in den Händen. Einen Moment lang verspürte Shaper einen Anflug von tiefem Mitgefühl für dieses launenhafte, verwirrte Geschöpf, dann fiel ihm auf, dass die stahlblauen Augen zwischen den Lücken seiner Finger hervorlugten – wie bei dem Spalt zwischen den Vorhängen  – und direkt auf den Spiegel starrten.
    Nein. Schlimmer.
    Direkt auf ihn.
    Der Mund des Freaks verzog sich zu einem gehässigen, schiefen Grinsen, und die Wolken kehrten in Shapers Augen zurück, eine schneesturmartige, schmutzige Wahrnehmungstrübung, die sich nach und nach über dem Gesicht des Mannes verdichtete …
    Dann entspannte sich Karl wieder, lächelte Vehrman ohne jede Bosheit an, und Shaper vermochte nicht zu sagen, ob er sich jenen schrecklichen Blick nur eingebildet hatte oder nicht.
    »Jedenfalls haben wir uns geschrieben«,

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