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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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erklärte Karl. »Fossey und ich. Hin und her. Und was für Briefe! Da wusste ich, dass er mich von Anfang an geliebt hat.«
    »Warum hast du dann das Feuer angezündet?«
    »Welches Feuer?«
    »Du weißt, welches Feuer.«
    »Wirklich?«
    »Na schön. Die Briefe – die würden wir gern sehen. Wo sind sie?«
    »Oh, tut mir sehr leid. Ich fürchte, das ist nicht möglich.«
    »Wir haben bereits einen Durchsuchungsbefehl beantragt, Freundchen. Wir werden uns deine Wohnung vornehmen.«
    »Bitte tun Sie das.«
    »Also sind die Briefe nicht dort?«
    Ein froschmaulbreites Grinsen trat in Karls Züge. »Ich vermute, die sind unlängst in Rauch und Asche aufgegangen.«
    Vehrman knurrte beinah, und im Nebenraum gab Cantoneinen angewiderten Laut von sich. Shaper juckte es, endlich zu verschwinden, zu schlafen, sich mit Stahlwolle sauber zu schrubben – und sich immer wieder zu übergeben, bis all die Drogen, die Krankheit und der Stress verschwunden wären.
    Wunschtraum .
    »Karl Devon«, sagte Jabbas Cousin plötzlich mit verkniffener Miene. »Ich unterbreche das Verhör an dieser Stelle, um es im Beisein eines Vertreters der Staatsanwaltschaft fortzusetzen. Aufgrund der derzeit vorliegenden Beweise werde ich empfehlen …«
    Shaper ließ die Leier in den Hintergrund verblassen und richtete alle Aufmerksamkeit auf Karls Gesicht. Der schien ebenfalls kaum zuzuhören, und als er sich mit einem verhaltenen Lächeln auf dem Stuhl zurücklehnte, wirbelten seine Sinneskrümmungen umso stärker: Grelle Violett- und Blautöne bildeten sich und kreisten wie blutgefüllte Moskitos um die Mitte von Karls Gesicht.
    Oh Gott   …
    »… meiner Ansicht nach sollte die Anklage auf Mord lauten, und …«
    Die Farben verdichteten sich schillernd, und ganz gleich, wie sehr Shaper blinzelte und den Kopf schüttelte, ganz gleich, wie sehr er auch das Reservoir beruhigender Drogen in seinem Blutkreislauf anzapfte: Die Vision löste sich nicht auf, sondern bildete stattdessen eine grässliche, solide Form.
    »… was zum Tod von Matthew Foster, wohnhaft 23 Tubbs Mews, Harlesden geführt hat …«
    Und da war es. Wie ein Krater prangte in Karls Stirn ein Auge von der Farbe eines blauen Flecks, aus dem blutige Tränen tropften und das sich unerbittlich drehte, um Shaper anzustarren.
    Seine Haut fühlte sich wie vereist an. Seine Beine erstarrten, und das leise Geräusch von Cantons Stimme – »Lass uns verschwinden, bevor Vehrman dich sieht, sonst bin ich fällig …« – verblasste zu einem dumpfen Nichts.
    »Soll ich jemanden anrufen?«, dröhnte Jabbas Cousin durch den Lautsprecher. »Einen Anwalt? Angehörige?«
    Der Blick des dritten Auges brannte durch Shaper wie Feuer.
    »Nein«, flüsterte Karl. »Ich habe keine Familie.«
    Shaper flüchtete.
    Canton besaß genug Anstand, um vor den Toiletten zu warten.
    Zum Glück , dachte Shaper, als er mit zittrigen Fingern und Wasser aus dem Hahn Pillen hinunterspülte – mittlerweile unüberlegt und ungezählt.
    Ich dröhne mich in einer Polizeistation zu; ein neuer Tiefpunkt.
    Er wagte einen zweiten Blick in den Spiegel und stellte fest, dass ein Muskel unter seinem linken Auge zu zucken angefangen hatte. Was er gar nicht gespürt hatte.
    Insgesamt sah er verrückter als Karl aus.
    Canton begleitete ihn hinaus.
    Jeder Schritt brachte Shaper dem Versprechen von frischer Luft und Freiheit näher. In den anhaltenden Nachwehen der Vergewaltigung seines Hirns wartete er darauf, dass die Medikamente Wirkung zeigten – irgendeine Wirkung –, und stapfte mürrisch und argwöhnisch durch eine Welt voll gesichtsloser Schemen und an Polizistenschatten erinnernder Formen. Er blieb dicht bei Canton.
    Als sie sich der letzten Tür näherten – seine Seele schrie nach dem Tageslicht dahinter –, bemerkte er den verstohlenen Seitenblick seines Begleiters: Der Blick der bebrillten Augen zuckte zu einer nach oben führenden Treppe und zu einem Schild mit der Aufschrift FORENSIK. Shaper fiel die halb ausgegorene Idee ein, die ihn schon zu Hause ereilt hatte. Wenngleich es ihn quälte, seine Flucht hinauszuzögern, zwang er sich doch zu einem verschmitzten Lächeln.
    »Warte kurz«, sagte er.
    »Was ist?«
    »Sie ist da oben, nicht wahr?«
    Schlagartig setzte Canton eine Pokermiene auf. »Wer?«
    »Deine Angebetete. Wie heißt sie noch? Nadia? Nathalie?«
    »Natasha.«
    Shaper grinste. »Richtig.«
    Canton verschränkte die Arme vor der Brust. Ein kirschroter Schimmer kroch in seine Wangen.

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