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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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Punkt blanker Entschlossenheit komprimiert hatte. Im Vorbeilaufen zählte er die Häuser und lauschte den Verbrechern auf der Vorderseite, die nach wie vor in vollem Ablenkungsmodus agierten.
    Er kletterte auf eine Hütte, erwehrte sich des reflexartigen Eindrucks, das regennasse Dach bestünde aus blutigem Mahagoni, zerkratzt wie eine riesige Version des Stuhls in den Eingeweiden von Thornhill, und hielt kurz inne, um nach den letzten beiden Foliendietrichen zu suchen, die er noch von seinem Einbruch in Kingsleys Haus übrig hatte.
    Nicht genug   … nicht genug   …
    Dann ließ er sich zwischen das Unkraut in Karls Garten hinab und betrachtete die Hintertür – zu spät, um noch umzukehren,zu spät, um es sich anders zu überlegen. Er spürte, wie sich seine Hoden in den Körper zurückzogen.
    Die Tür war bereits angelehnt.
    Es war Scheiße, recht zu haben.
    Natürlich war es Vicar. Vicar mit Karl.
    Shaper sichtete sie von unten, ausgestreckt am Kopf der Treppe wie gespenstische Wachsfiguren, eingehüllt in eine Blase leiser Stimmen und merkwürdiger Geräusche. Fernab von Türen oder Fenstern lag Karl an einen Heizkörper gekettet neben einem offenen Wandschrank, der einen zischenden Boiler beherbergte. Sein Peiniger mit den schimmernden Zähnen und sich flink bewegenden Händen hatte während seines Tuns ungehinderte Sicht auf jeden Zugang.
    Vicar verstand sein Handwerk.
    Shaper gab trotzdem sein Bestes, um sich anzuschleichen. Zunächst rückte er langsam vor. Er schaute kaum zu dem Grauen hinauf, außer um sich zu vergewissern, dass Vicars Blick auf etwas anderes gerichtet war und er sich noch auf sein zuckendes, stöhnendes Opfer konzentrierte. Ebenso wenig hielt er inne, um ein Gespür für das Haus zu bekommen, als er sich wie ein Geist der untersten Stufe näherte – er erlangte lediglich einen vagen Eindruck von unausgepackten Kartons und zu viel Staub. Auch die grässlichen Laute der Folter versuchte er, nicht zu beachten – jedes glitschige Schmatzen und Ächzen nährte bloß den Zyklon in seinem Gehirn.
    Die Drogen waren mittlerweile nur noch eine Erinnerung.
    Shaper kam weiter, als er erwartet hatte. Er machte einen langsamen Schritt nach dem anderen – dem Feind lachhaft nah, lachhaft unbemerkt – und hielt erst inne, als es aberwitzig schien, weiter vorzurücken; fünf Schritte vom Treppenabsatz entfernt, wo ihn jede Bewegung so sicher verraten musste, als würde er mit dem Fuß aufstampfen und schreien. Mit wachsender Beklommenheit dämmerte ihm, dass seine einzige Hoffnung, die blutige Angelegenheit zu beenden, darin bestand, Vicar wie eine Schabe zu zerquetschen. Sich der Gnade des Mannes auszuliefern, den Fehler zu erklären, der ihm unterlaufen war, und an seine Vernunft zu appellieren, war ein absurder Gedanke.
    Solchermaßen erstarrt, elektrisiert von der surrealen Fantasie der eigenen Unsichtbarkeit, ließ Shaper die Konzentration im entscheidenden Moment schleifen und warf den ersten richtigen Blick auf die Szene. Auf den Knebel in Karls Mund und die blauen Flecken auf seinen Wangen und an seinem Kinn. Auf seine Hose und Unterhose, die hinuntergezogen worden waren und sich um die elektronische Fußfessel am Knöchel bauschten. Auf die dünnen Messerspuren, die sich über die Oberschenkel und den Schritt zogen. Auf die frische Wunde am Pimmel des Mannes, der verschrumpelt aus einem Gewirr schwarzer Behaarung lugte; ein roter Bleistiftstrich entlang des Glieds, aus dem das Blut troff. Jeder einzelne Schnitt war flach, ein leichtes Aufschlitzen der Haut, aber verbunden mit dem Versprechen, dass der nächste Schnitt tiefer ausfallen würde.
    Das Einmaleins der Folterkunst, dachte Shaper, geeignet, jedes Herz bis kurz vor der Explosion zu beschleunigen. Alles schon gemacht .
    Er versuchte, sich vom Hinschauen abzuhalten, versuchte, den Blick zu lösen und den eigenen Körper wie geplant für den Angriff anzuspannen – doch dafür war es zu spät. Zu spät, den in seiner Kehle stockenden Atem auszublasen; zu spät, seinen Körper zu überreden, etwas anderes zu tun, als einem Junkie auf Entzug gleich zu zittern; zu spät, die Schleier reiner Wahnvorstellungen abzuschütteln, die sich über seine Augen legten.
    Shaper wälzte sich darin, strudelte durch Wahnsinn, und jede Einzelheit, die seine Sinne wahrnahmen, war fermentiert, korrumpiert, verzerrt. Vicars Hände, Latexhandschuhe, Silberskalpelle; dann Insekten aus Chrom und Diesel, das Geräusch von gebrochenem Licht, der Geruch

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