Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)
von Zeit …
Du verlierst den Verstand.
Die Erde, die sich so heftig drehte, dass er überzeugt davon war, sie müsse ihn abwerfen.
Reiß dich zusammen!
Eine Sekunde lang blickte er durch all das hindurch wie durch eine Lücke in einer dichten Wolkendecke und bemerkte den Gummischlauch um Karls Bein, bemerkte Vicars in eine Sporttasche tauchende Hand und das Ding mit dem schmutzigen Blatt, das er daraus hervorholte.
Metallsäge. Oh Gott.
»Nun denn.« Der Mistkerl grinste und ließ seine Zähne aufblitzen. »Entweder erfreust du mich jetzt mit ein paar verdammten Antworten, Karl, mein Freund, oder ich bin gezwungen, dir den Fuß abzuschneiden.« Verspielt tippte er mit dem Werkzeug an Karls Knie, womit er ihm ein leises Stöhnen entlockte. »Es geht um diese dämliche Fußfessel, verstehst du? Verfluchter neumodischer Kram. Dafür kannst du ja nichts – aber was soll ich machen? Hier können wir uns ja nicht ordentlich unterhalten, oder? Nicht, wenn du Geheimnisse für dich behalten willst, Karli-Boy. Nicht bei alldem Aufhebens draußen. Also entweder verrätst du mir ein paar Einzelheiten – liegt ganz bei dir –, oder wir suchen einen Spezialisten auf. Geht nicht anders.«
Er lächelte breiter, als es sein schmales Gesicht eigentlich zuzulassen vermochte, und legte den Kopf schief, um Karls Miene zu betrachten … und die Schatten dahinter.
Shaper hörte zu atmen auf. Er kann mich sehen, er kann mich sehen, er kann mich …
»Nun?«, hakte Vicar nach, vollkommen auf sein Opfer konzentriert, überquellend vor idiotischer Herrschaft. »Was darf’s sein?«
Karl nickte und brummte etwas in der Kehle.
»Braver Mann«, beglückwünschte ihn Vicar und löste vorsichtig den Knebel. Sogar Shaper, nur ein Geist am Rand einer halb erhellten Bühne, beugte sich leicht vor, um zu lauschen.
Karl ließ sich kurz Zeit, um den Mund zu befeuchten und die schmalen Lippen zu bewegen.
Dann grinste er.
»Hallo, Mr. Shaper«, sagte er.
Aber er schaut noch nicht mal in meine …
Scheiße, Scheiße, Scheiße!
Shaper versuchte, sich zu bewegen. Da ihm die Initiative aus der Hand gerissen, das Überraschungsmoment so unverhofft gestohlen worden war, sprang er mit schwingenden Fäusten los. Unaufgefordert entrang sich dabei ein kläglicher Laut der Entrüstung seiner Kehle.
Ich bin hier, um dich zu retten, du Pisser. Warum machst du so was …
Vicar erwies sich als zu schnell.
Die Metallsäge biss in Shapers Unterarm. Sie zerrte an seiner Jacke und zwang ihn, den ersten Schlag abzubrechen. Das Blatt brach mit einem melodischen, anhaltenden Klingen. Das Geräusch verstärkte sich für seine Sinne, wurde verzerrt und nahm ein sonderbar synästhetisches Schimmern an – und Shaper konzentrierte sich auf die heißen Schmerzen unter seinem Ärmel, um die Ablenkung auszublenden. Er ließ die andere Faust vorschnellen, um Vicars Gesicht zu fassen zu bekommen, und stieß es kräftig von sich.
Das Arschloch knurrte, als es fiel. Shaper erhaschte den wirren Eindruck zusammengekniffener Haut um Babyaugen, bevor der Schädel des Mannes gegen den Boiler im Wandschrank prallte und rosa Schleim davon aufspritzte. Beinah hätte er gejubelt, als er vorstürmte, um die Aufgabe zu Ende zu bringen, psychedelisch durch die Krankheit.
Schneller als Vicar! Schneller als Vicar! Hahah…
Nur sollte es nicht sein.
Der Fuß des Drecksacks traf ihn voll in den Magen und ließ die Luft explosionsartig aus seinen Lungen entweichen. In Shapers Kopf gingen Feuerwerke ab, und bevor er wusste, wie ihmgeschah, taumelte er rückwärts, stolperte über Karls Körper und stürzte, rutschte von der obersten Stufe ab und …
Oh nein.
Seine Knie knickten ein. Sein Steißbein prallte gegen eine harte Kante, dann ging alles drunter und drüber. Die Welt drehte sich, ein bodenloser Abgrund, der ihn verschlang, und etwas klatschte so heftig gegen seinen Hinterkopf, dass vor seinen Augen eine Supernova erstrahlte.
Die Treppe runtergefallen. Wie peinlich.
Fuchtelnd streckte er einen Arm aus und spürte, wie das Geländer gegen seine Knöchel schlug. Mit brüllender Schulter und zappelnd wie ein Fisch hielt er sich verzweifelt am Holz fest. Das Blut pulsierte laut wie platzende Knallfolie durch seine Ohren.
Die Stille kehrte zurück wie ein Sonnenaufgang nach einem heftigen Sturm, aber das Echo in seinem Gehirn wollte – konnte – nicht aufhören. Es tobte weiter, während seine Orientierung nach und nach wieder einsetzte.
Er kotzte
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