Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)
wobei jeder dem anderen bedeutete, zu beginnen, ein spontanes Duell der Höflichkeit, bis Canton die Hände hob und leicht gereizt verkündete: »Verdammt, schon gut, ich fang an.«
Der Polizist holte Luft und sagte: »Was ich habe, ist ein abgeschlossener Fall. Sozusagen. Und ich hab keinen verfluchten Schimmer, was passiert ist.«
Der Mann richtete einen erwartungsvollen, aus silbrigen Nadeln und Kräutergerüchen bestehenden Blick quer über den Tisch. Shaper ignorierte ihn und wartete. Irgendwie schien neuerdings auf der Welt keine solche Eile mehr zu herrschen.
Canton seufzte, machte alleine weiter und zählte an den Fingern ab. »Ich hab also eine Tote, ja? Selbstmord – das ist völlig in Ordnung. Ich hab eine halb aufgefressene Schwedin auf dem verfickten pompösen Gelände. Ich hab einen jungen Inder mit aufgeschlitzter Kehle, ich hab Beweise für eine Verletzung durch eine Schrotflinte, und ich hab zwei Zeugen, die Stein und Bein schwören, dass die kleine Hexe – die sich selbst erstochen hat – für alles ganz allein verantwortlich war. Und dass sie davor die ganze Touristen-Scheiße gestanden hat.«
»Ich verstehe«, erwiderte Shaper, der sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen konnte. »Donnerwetter.«
Canton brachte seinen vernichtenden Blick ins Spiel. »Übrigens reden wir hier von ›Zeugen‹, die etwa so glaubwürdig sind wie der gute, alte Baron Münchhausen.« Er schüttelte den Kopf. »Einer ist ein Gauner mit einem Vorstrafenregister so lang wie sein einziger noch funktionierender Arm – ein Kerl, der meines Erachtens für Verbrechen gegen die Kochkunst standrechtlich erschossen werden sollte …« Angewidert kratzte er an seinen Zähnen. »Und die andere hat sich nicht nur jahrelang als verfluchtes Medium verkauft, sondern gibt jetzt auch noch munter zu, dass alles Schwindel gewesen ist.« Mürrisch rührte er seinen Kaffee um. »Hättest du keine zuverlässigeren Leute finden können, Kumpel?«
»Keine Ahnung, was du meinst.« Shaper zuckte mit den Schultern und spielte das Spiel.
Mit einem weiteren Seufzen spießte Canton einen betonharten Eidotter auf und wechselte die Taktik. Seine Stimme nahm mit blumigen Tönen einen intimen Plauderton an.
Inoffiziell , begriff Shaper. Freunde, keine Verbündeten .
»Hast du sie gesehen?«, fragte der Polizist. »Miss Devon?«
»Ich seh sie heute«, antwortete er – zu schnell. »Sie wird jede Minute hier sein.« Selbst er konnte die überzogene Fröhlichkeit in seiner eigenen Stimme hören.
Canton brummte unverbindlich, zeigte sich klug genug, nicht weiter nachzubohren, und verfiel zurück in einen geschäftsmäßigen Tonfall, als hätte das Zwischenspiel nie stattgefunden.
»Na jedenfalls, all diese … Körperteile, erinnerst du dich? Die gestohlenen Organe. Sie waren auch alle da, was durchaus hilfreich ist. Tasha … das heißt, die Forensik sagt«, Canton überspielte den Versprecher mit einem Hüsteln, »dass dort unten Marmeladengläser waren, die unlängst benutzt worden sind, um etwas einzulegen. Lagerbehältnisse, vermuten die. Und Sandras Fingerabdrücke sind drauf, daher sind die Starzeugen Gott sei Dank nicht unbedingt entscheidend.«
Shaper grinste immer noch verhalten vor sich hin – »Tasha« mittlerweile, wie? Nicht mehr »Natasha« –, setzte jedoch rascheine nüchterne Miene auf, bevor Canton es bemerkte und sich verarscht fühlte. Irgendwie genügte es ihm, zu wissen, dass wenigstens etwas Gutes aus alldem entstanden war.
Canton dankte es ihm – dieser undankbare Mistkerl –, indem er plötzlich zu Verschlagenheit wechselte. Ein deutlicher, aalartiger Glanz überzog seinen Körper.
»Allerdings hab ich die Waffe nicht gefunden«, ließ er über Shapers Kopf baumeln. »Die, mit der sie sich abgemurkst hat.«
Und das wirst du auch nicht, weil sie in meiner Tasche steckt.
Ohne eine Miene zu verziehen, gab Shaper ein unverbindliches »Aha« von sich und widmete sich wieder seinem Kaffee.
Am Tisch nebenan drehten die schmuddeligen Hände des Jungen die Karten um und begannen von vorn.
Klatsch, klatsch.
Verdammt noch mal.
Schnaubend gab Canton die offizielle Linie auf und beugte sich verschwörerisch vor.
»Was ist passiert, Shaper?«
»Woher um alles in der Welt soll ich das wissen, Officer?« Selbst Butter würde nicht schmelzen . »Ich war ja nicht dabei.«
Der Bulle steckte eine Zunge in die Wange. Die ersten flaumigen Schimmer von Ungeduld legten sich wie eine zweite Haut über ihn
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