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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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beobachte Dinge. Eingehend.«
    Sie spielte mit ihrem Haar und wandte den Blick ab.
    Man musste ihr zugutehalten, dass sie an diesem Morgen auf das Schauspiel mit dem kitschigen Lächeln verzichtete. Auch ohne vorzutäuschen, etwas so Unwahrscheinliches wie »glücklich« zu sein, zog sie genug Aufmerksamkeit auf sich. Wie Shaper wusste, hatten die Gäste im Tony’s mit positiver Einstellung wenig am Hut.
    Außerdem deutete er in den optimistischeren Gefilden seines Gehirns zumindest einen kleinen Teil ihrer Unbehaglichkeit als Anzeichen für gegenseitige Anziehung. Deshalb ärgerte ihn, dass die vernünftigere Hälfte seines Verstandes andauernd eine weit näherliegende Erklärung einwarf: Glass.
    Glass, nach dem sie sich seit ihrer Ankunft etwa einmal pro Minute erkundigte. Glass, den sie bereits angerufen hatte, um sich zu vergewissern, dass Shaper nicht gelogen hatte, was die Annahme des Auftrags betraf. Glass, dessen Wohlergehen für Shaper unverhoffterweise genauso wichtig geworden war, wie es das eindeutig für Mary war. So sehr, dass er trotz seiner Enttäuschung über ihre gedankliche Fixierung darauf keine Verärgerung darüber empfinden konnte.
    Der alte Mann zählte wirklich. Er wünschte nur, er wüsste, weshalb.
    »Er besitzt so etwas wie Magie«, murmelte Mary, und einenMoment lang glaubte Shaper, sie hätte tatsächlich in seine Gedanken geblickt. Aber als er aufschaute, starrte sie nur in ihre Teetasse und brütete ähnlich vor sich hin wie er selbst. »Er … fasziniert die Menschen einfach. Sie wollen in seiner Nähe sein. Und die Vorstellung, dass er in Schwierigkeiten steckt …« Ihre Blicke begegneten sich. »Bitte. Gibt es irgendetwas, das ich tun kann, um zu helfen?«
    Leicht irritiert blähte Shaper die Wangen. Da er im Begriff stand, einen neuen Auftrag in Angriff zu nehmen, und dabei mit einem narkotikabedingten Zusammenbruch sowie bösartigen, grinsenden, machetenschwingenden Schurken konfrontiert war, hatte er das Gefühl gehabt, es zu verdienen , seiner Hingezogenheit zu dieser Frau einen kurzen Anflug von Aufmerksamkeit zu widmen. Aber nein. Glass belastete die Atmosphäre wie der Geruch eines unauffälligen Furzes, den man unmöglich ignorieren konnte.
    Na schön.
    »Woher kennen Sie ihn?«, gab er sich mürrisch geschlagen.
    Mary setzte sich aufrechter hin und wagte ein Lächeln. Geradewegs zurück in ihre Rolle.
    »Eigentlich hat meine Mutter ihn gefunden. Sie besaß auch Hellsicht.«
    »Oh.« Er bedachte sie mit seinem besten leicht genervten Blick. »Donnerwetter.«
    »Ich war noch klein. Selbst bin ich ihm erst viel später begegnet. Ma hat immer erzählt, er … er sei einfach eines Tages an ihrer Tür aufgekreuzt, als ich in der Schule war. Er meinte, er wollte … wieder Verbindung mit der Welt aufnehmen. Er hätte zu lange im Abseits gestanden – und wollte die Welt wieder an sich teilhaben lassen.«
    »War das, bevor er das Gedächtnis verlor?«
    »Oh ja, das kam erst später. Jedenfalls erkannte sie – meine Mutter – auf Anhieb, was er war. Was er ist . Wissen Sie, das erkennt man an der Aura.« Lächeln, Begeisterung, Gestik. »Fürsie – und für mich – sieht er aus wie ein … ein Fluss des Friedens. Er verströmt diese … endlose Energie in die Welt.« Sie schwenkte die Hände, während sie sprach, und hob die Stimme unbewusst auf Vortragslautstärke. Shaper fiel auf, dass mehrere Stadtstreicher am Tisch nebenan aufmerksam lauschten, die Tassen starr, wie an den Lippen angefroren.
    »Ich meine, klar, da sind seine Weisheiten, seine Geschichten … Immerhin lebt er seit dreitausend Jahren, wie könnte er da nicht faszinierend sein? Aber … was wirklich zählt, ist die Energie. Diese … volle Schwingung. Wissen Sie, es ist, als hätte er den Puls des Universums in seinem Chakra. Und wenn sich andere nur so auf ihn einstimmen könnten, wie ich es getan habe, dann könnten sie …«
    »Mary.«
    »Sie könnten fühlen, wie …«
    »Mary.«
    Er wartete, bis sich ihre Augen von dem unsichtbaren Publikum lösten, zu dem sie sprach und das sich irgendwo auf halbem Weg die Wand hinauf befand, und sie den Blick auf ihn richtete.
    »Würden Sie den Mist bitte sein lassen?«
    Sie starrte ihn an, schloss mit einem hörbaren Klicken den Mund und erschlaffte auf ihrem Stuhl. Wieder ertappte sich Shaper dabei, auf die über ihre Züge huschenden Ausdrücke zu achten: Überraschung, Verärgerung, Scham, sogar ein leichter Anflug von Schuldbewusstsein.
    Und

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